Elfriede Jelinek „Die Kontrakte des Kaufmanns“
von Bernd Stegemann
Erschienen in: Lob des Realismus (05/2015)
Zwei Bankenskandale und eine Familienauslöschung sind der thematische Anlass für die Wirtschaftskomödie „Die Kontrakte des Kaufmanns“. Die österreichische Lebensmittelkette Meinl hatte die Meinl-Bank gegründet, die wiederum einen Immobilienfonds MEL (Meinl European Land) aufgelegt hatte. Als dieser Fonds in der Folge der US-amerikanischen Immobilienkrise stark an Wert verlor, kaufte die Meinl-Bank unter Umgehung des Aktienrechts knapp dreißig Prozent der Anteile zurück. Aufgrund dieser und anderer Verstöße gegen das Börsenrecht wurden gegen den Fonds und die Bank zahlreiche Anklagen erhoben, die zum Teil von geprellten Anlegern ausgingen und sich zum Teil gegen die undurchsichtigen Geschäftspraktiken der Bank richteten. Als Julius Meinl, der Geschäftsführer und Erbe in fünfter Generation, in Haft genommen wurde, konnte er sich erst mit einer Kaution von 100 Millionen Euro wieder freikaufen. In diesem Skandal treffen also die beiden Hauptmotive der Finanzkrise von 2008 aufeinander: eine Vielzahl betrogener Anleger und ein Geschäftsgebaren der Bank, die mit allen erlaubten und wohl auch widerrechtlichen Mitteln die Kurse so manipuliert, dass die Gewinne bei ihr und die Verluste bei den Anlegern anfallen. Der zweite Bankenskandal betrifft die Gewerkschaftsbank BAWAG, die sich mit Rentenpapieren verspekuliert hatte und in undurchsichtige Geschäfte mit einem US-amerikanischen Fonds verwickelt war, wodurch vor allem viele Kleinanleger um ihr...