Ein Stern fällt
Der Sänger Joseph Schmidt
von Raimund Hoghe
Erschienen in: Recherchen 150: Wenn keiner singt, ist es still – Porträts, Rezensionen und andere Texte (1979 - 2019) (09/2019)
Assoziationen: Akteure
Zürich, Unterer Friesenberg, Israelitischer Friedhof, Grab Nr. 2331. Ein Blumengesteck mit roter Kerze leuchtet. Der Grabstein ist schwarz. „Ein Stern fällt …“ ist auf dem Stein zu lesen und: „Joseph Schmidt Kammersänger 1904–1942“. Dazwischen der Davidstern. Das Grab, heißt es, sei eines der meistbesuchten auf dem Friedhof. „Ein Stern fällt vom Himmel, ein funkelnder Stern, bringt wie eine Botschaft von fern uns das große Glück. Ein Stern fällt …“
Nur wenige Kilometer entfernt, in Rüti bei Zürich, hat Alfred Fassbind das „Joseph-Schmidt-Archiv“ eingerichtet. Der 44-Jährige Biograf und Nachlassverwalter des Sängers öffnet die Tür zu einem Zimmer im Souterrain des Hauses und sagt: „Da lebt Joseph Schmidt.“ Zu sehen sind Spuren einer Legende: Platten und Fotos, gestapelt und in Alben archiviert, Programmzettel und Briefe, amtliche und persönliche Dokumente, ein zerschlissener Toilettenkoffer des vor den Nazis durch halb Europa geflohenen Tenors, ein Schrank aus dem Schweizer Gasthofzimmer, in dem der 38-Jährige starb, und ein blau-weißes Taschentuch des einst Weltberühmten. Während er es ausbreitet und zu dem Toilettenkoffer und den Bildern legt, hält Alfred Fassbind kurz inne: „Schon traurig, was von so einem Mann übrigbleibt.“ Auf dem Videoband, das er mir später zeigt, singt Joseph Schmidt vor mehr als 100 000 Besuchern eines...