Magazin
Die Gewalttätigkeit einer Ideologie
Das Projekt „Parallel Lives“ gräbt im slowakischen Nitra in den Archiven der Staatssicherheit
von Hartmut Krug
Erschienen in: Theater der Zeit: Philipp Hochmair: Ein Mann, alle Rollen (11/2013)
Vor einem Altar wird die Leiche des heiligen John Sarkander auf einer Bahre präsentiert, der zu Zeiten des Wechsels vom 16. zum 17. Jahrhundert zu Tode gefoltert wurde. Ein Schauspieler tritt als Klement Gottwald auf und erzählt die bis heute nicht aufgeklärte Geschichte des Priesters Josef Toufar, den der Geheimdienst der jungen kommunistischen tschechischen Republik 1950 ermordete. Das Prager Nationaltheater zeigte ihre Oper „Toufar – The Torture Games“ auf kleiner Bühne als emotionalisierenden Report: mit kirchlichen Zeremonien, einem Countertenor, einer Schauspielerin, die aus Toufars Akte vorsingt, und einem Chor junger Mädchen, die sich von Messdienerinnen zu Geheimpolizistinnen wandeln können. Mit dokumentarischen und propagandistischen historischen Filmszenen wird vom brutalen Kampf des Staates gegen den Priester Toufar in der kleinen tschechischen Stadt Cihošt berichtet. Bei einer Messe soll sich während Toufurs Worten das Kreuz hinter ihm bewegt haben. Fälschung, Provokation, sagen die Kommunisten. Toufur wird verhaftet und stirbt an den Folgen der Folter. Durch die formale Strenge der Komposition von Aleš Brezina und die unaufgeregte Regie des Regisseurs Petr Zelenka werden das ausufernde Material und die unterschiedlichen Spielweisen zusammengehalten.
Fast ein Kontrastprogramm dazu ist der Versuch des Neuen Theaters Krakau, zwei Lebensläufe im Setting eines Sexklubs aufeinanderstoßen zu lassen. In „Follow Me“...