Nach dem unrühmlichen Fehlstart an der Volksbühne soll das Blatt tunlichst gewendet werden. Jetzt ginge es darum, zum eigentlichen Theaterbetrieb zurückzukehren, wobei fraglich ist, was Normalisierung für eine solch abnorme Institution bedeuten mag. Die Erfahrung mit Chris Dercon hat sowieso Grundsatzfloskeln und allumfassende Deklarationen suspekt gemacht. Jene Kulturprominenten, die seinerzeit die Ankunft des visionären Kurators als Segen für die Stadt priesen, geben heute für das Debakel allein einer verfehlten Personalentscheidung die Schuld. Zwar wurde akribisch offengelegt, welch unglaubliche Fehler auf das Konto des Berliner Kultursenats gehen, nur sollte eines nicht übersehen werden: Es waren nicht nur Phrasen und Pannen, auch eine strategische Überlegung war dabei. Um denselben Fehler nicht zu wiederholen, wäre es ratsam, eben jene Überlegung zu hinterfragen.
Heute noch können manche nicht begreifen, wie ein Intendantenwechsel zu einem „Kulturkampf“ um Stadtentwicklung, Gentrifizierung und gar Neoliberalismus eskalieren konnte.1 Dazu genügte es, die Aussagen des früheren Staatssekretärs Renner aufmerksam zu lesen. Seine Argumente hatten weder mit Ästhetik noch mit Theaterbetrieb zu tun. „Wir bauen eine neue Stadt“, brüstete er sich im Interview (ähnlich beschrieb Chris Dercon seine Aufgabe als „City-Making“, vielleicht in Anlehnung an das „Nation Building“ der Amerikaner: zunächst alles erfolgreich plattmachen, dann geht der Aufbau in die...