Kindheit zwischen den Kriegen
von Bruno Flierl
Erschienen in: Selbstbehauptung – Leben in drei Gesellschaften (05/2015)
Geboren wurde ich am 2. Februar 1927 in Bunzlau. Zwei Jahre später kam mein Bruder Peter zur Welt. Bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs Anfang September 1939 hatten wir eine frohe und sorgenfreie Kindheit – mit lieben Eltern in einem geborgenen Zuhause in Schlesien. Ab 1929 wohnten wir in Liegnitz, wohin mein Vater aus beruflichen Gründen mit der Familie umgezogen war. 1937 erfolgte – wiederum aus beruflichen Gründen – der Wohnungswechsel nach Brockau bei Breslau. Dieser Weg von einer Kleinstadt in eine Bezirksstadt und dann in die Hauptstadt Schlesiens – immerhin eine Großstadt mit 600 000 Einwohnern – war für meinen Vater Bedingung und Ausdruck seiner beruflichen Entwicklung als Architekt. Für mich bedeutete er die schrittweise Erweiterung meines Gesichtsfeldes für Entdeckungen und Möglichkeiten des Lebens, für etwas Eigenes in ihm, vermittelt durch Bildung, Kultur und urbane Kontakte.
Meine Eltern stammten aus sozial einfachen Verhältnissen. Hineingeboren in die Kaiserzeit, hatten sie den Ersten Weltkrieg überlebt und in den darauffolgenden Jahren unsicherer gesellschaftlicher Verhältnisse – auf sich allein gestellt – dennoch verstanden, ihr Leben lebenswert zu machen. Mein Vater, Johann Flierl, geboren 1898 in Fürth, also in Franken, war das siebte Kind einer neun Kinder zählenden proletarischen Familie: drei Mädchen, sechs Jungen....