Bittere Konsequenzen der sprachlichen Logik
Sprache | Corpus | Klang
von Lorenz Aggermann
Erschienen in: Recherchen 102: Der offene Mund – Über ein zentrales Phänomen des Pathischen (03/2013)
Das phänomenologische Konzept einer pathischen Erfahrung, nach der sich das Subjekt über polymediale Modi der Erwiderung auf ein Geschehen konstituiert, und der Befund, daß hierbei stets eine responsive Differenz bestehen bleibt, die nicht aufgelöst, also nicht in ein Bedeutungsgefüge eingebracht werden kann, lassen sich in einem wesentlichen Punkt nicht mit der psychoanalytischen Auffassung in Übereinstimmung bringen: Ist für die psychoanalytische Theorie die Sprache das konstituierende Charakteristikum des Subjektes, so geht die phänomenologische Konzeption davon aus, daß es neben dieser auch noch andere sinnliche Arten der Responsivität gibt. Die Frage nach diesen anderen Modi leitet den Blick auf das zu Grunde liegende Subjektverständnis, und ihr ist die Frage beizufügen, worin die responsive Differenz manifest wird. Der offene Mund mit allen Sinnesmodalitäten, die sich um Mund- und Halsraum gruppieren und die für eine Selbstwahrnehmung ebenso maßgeblich sind wie das visuelle Spiegelbild, als auch jene akustischen Figurationen, die abseits der sprachlichen Selbstvergewisserung hervortreten und hier unter den Begriff Akuomene subsumiert werden, legen dabei eine Fährte aus, die deutlich in Richtung von Klang und Affekt weist. Musikliebhaberinnen, die fünf Stunden Wagner lauschen oder gar selber in einem Laienchor inbrünstig singen, sind hierfür ein ebenso starkes Indiz wie Fußballfans, welche, von dumpfen, monotonen Trommelschlägen begleitet,...