Epistemischer Produktivismus und künstlerische Arbeit
von Matthias Rothe
Erschienen in: Recherchen 170: Tropen des Kollektiven – Horizonte der Emanzipation im Epischen Theater (11/2024)
Fordismus als Utopie
Der Eingriff in den Künstler-Werk-Zusammenhang (»Künstler und Werk mit sich allein«) stützt sich, wie ich versucht habe zu zeigen, auf eine abwesende, aber wirksame ›Kraft‹ der Kooperation bzw. setzt diese Abwesenheit, im wörtlichen Sinne, ›in Szene‹. Vor allem die linke Avantgarde, der die Uhu-Installation zugerechnet werden kann, macht die eigene künstlerische Kooperation zum Ankerpunkt der Antizipation einer anderen, nicht-kapitalistischen Gesellschaft. Der diesbezügliche (Kampf)Begriff ist jedoch nicht Kooperation, sondern ›Kollektiv‹. Er wird in der Weimarer Republik unterschiedslos für künstlerische und nicht-künstlerische Arbeitszusammenhänge gebraucht und entstammt aber den letzteren. Marx hat den Begriff eher vermieden und, um sich von Michail Bakunin abzugrenzen, allenfalls von ›Assoziation‹ gesprochen (denn populär gemacht wurde ›Kollektiv‹ durch die utopischen Sozialisten und Anarchisten). »[D]ie produzierende Gemeinschaft soll an Stelle einzelner Privater das Eigentum an den Produktionsmitteln haben, und der Produktionsertrag wird an die Mitglieder der Gemeinschaft verteilt«, so definiert kurz und knapp der Brockhaus von 1894 den Terminus ›Kollektivismus‹.1
Eine solche künstlerische Strategie (die Reflexion auf die eigenen Arbeitsformen und deren Ausstellung als kollektive) und die erhoffte Reichweite (Kritik an der ganzen Gesellschaft) werden nur verständlich im Erwartungshorizont der Weimarer Republik, im Kontext ihrer spezifischen Zukunft. Es ist alles andere als selbstverständlich, dass...