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Erschienen in: Letzter Vorhang (05/2017)
Einige von den Leuten dort unten kannte ich seit mehr als fünfzehn Jahren. Jürgen zum Beispiel, Lissy. Bündel war hier schon als Sonderschüler ein und aus gegangen. Sie hatten bei Hartungs Millennium mitgemacht, einer Punkoper, in der Androiden die Macht übernahmen und viele Kleindarsteller gebraucht wurden. Wir nannten unsere Personalpolitik damals, in freilich ironischer Anlehnung an Deng Xiaoping, die Offene Tür.
Im Haus ging bald die Sorge um, die Obdachlosen könnten das Liebknecht übernehmen. Sie schliefen in den Garderoben, brachten Leute von der Straße rein und kampierten mit ihnen in der Kantine, der ersten Kneipe übrigens, in der sie anschreiben lassen durften. Außerdem verdienten sie regelmäßig Kohle. Wer hätte ihnen verdenken können, dass sie das Liebknecht mit dem Paradies verwechselten.
Suse führte den internen Protest gegen die Offene Tür an. Bis zur Premiere war es relativ verdruckst, aber nachdem diese sich nicht als der erwartete Erfolg erwiesen hatte und die betreuungsintensiven und ordnungsresistenten Kleindarsteller weder die Garderoben noch die Kantine räumten, wurde es ernst. Hartung bekam einen Brief, den Suses Aktionsfront auch gleich öffentlich machte. Außer der Boulevardpresse („Stadtstreicher mobben Theaterpersonal“) ging niemand darauf ein. In den folgenden Wochen hockte Hartung nahezu jede Nacht mit Jürgen und den anderen Androiden...