4. Die Kunst der Angestellten
von Wolfgang Engler
Erschienen in: Authentizität! – Von Exzentrikern, Dealern und Spielverderbern (03/2017)
Herlinde Koelbls Studie lebt vom Kontrast. Sie zeigt Menschen im Amt und als Privatpersonen, und fragt nach der Bedeutung, die sie damit verbinden. Die Antworten fallen unterschiedlich aus: Einige erleben sich in Funktion als Individuen gestärkt, aufgewertet. Andere teilen diese Wahrnehmung, ohne ihrer amtlichen Existenz Vorrang gegenüber ihrem sonstigen Leben einzuräumen. Wieder andere verlagern das Schwergewicht auf ihr dienstbefreites Dasein.
Allen gemeinsam ist die Erfahrung zweier Welten, in denen sie auf verschiedene Weise in Erscheinung treten: als Repräsentanten ihrer Berufe sowie als Jedermann in seiner Haut. Sie durchlaufen im Hin und Her sichtliche Veränderungen, wobei die äußere Verwandlung eine innere anstößt. Die Rüstung zum Beruf erfolgt in einem vorgegebenen Rahmen, in den sich Mimik, Gestik, Haltung bald willig fügen, bald mit innerer Reserve gegenüber dem Form gewordenen Auftrag; gelegentlich trägt man die ‚Kluft‘ mit Missbehagen. Wo genau sich jemand in dieses Spektrum einfügt, hängt, außer von seinen Dispositionen, vom Spielraum ab, den die Position bereitstellt. Je nach Raumforderung und Raumangebot sitzt der Rollenanzug oder sitzt er eben nicht. Dann in der Rolle „durchzuhalten“, verlangt Kompromisse, die nicht zwingend in Verstellung münden. Das Lächeln etwa, das einen Anflug von Müdigkeit bezwingt, kann helfen, sich daran aufzurichten; dann geht die Arbeit leichter...