Theater der Zeit

3.1. Benjamins souveräner Veitstanz

von Sebastian Kirsch

Erschienen in: Das Reale der Perspektive – Der Barock, die Lacan’sche Psychoanalyse und das ‚Untote‘ in der Kultur (07/2013)

Wie lässt sich nun schreibend dem barocken automaton gerecht werden, dessen stumme Kraft ja nur allzu schnell in einen Veitstanz hinübergleiten lässt, der dem des unglücklichen Mädchens mit den roten Schuhen gleicht? Walter Benjamins nach wie vor exponierte Stellung in der Barockforschung liegt nicht zuletzt darin begründet, dass er das Zickzackmuster als methodisches Problem in jeder Zeile seiner Abhandlung über den »Ursprung des deutschen Trauerspiels« reflektiert hat.47 So stellt er zur Zeit der Arbeit an seinem Barockbuch in einem Brief an Gershom Scholem über Herbert Cysarz’ »Deutsche Barockdichtung« fest:

Es ist weder in der Dokumentation noch in den einzelnen Perspektiven verfehlt und unterliegt im ganzen doch vollständig der vertiginösen Attraktion, die dieser Stoff auf den, der sich beschreibend vor ihm aufpflanzt, ausübt, so dass statt Erhellung des Gegenstandes nur wieder ein Stückchen Nachbarock (mit einem r!) herauskommt… Es ist für den Stil des Barock ganz kennzeichnend, dass, wer einmal während seiner Inspektion aus dem angestrengten Denken herausfällt, sofort seiner hysterischen Nachäffung verfallen ist. Der Kerl ist manchmal sehr glücklich in den Beiwörtern und darin muss ich von ihm lernen.48

Dabei dürfte Benjamins besondere Sensibilität vermutlich auch damit zu tun haben, dass die dem barocken Muster nolens volens entspringenden Resultate –...

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