8 Die Trennung von Spiel und Sprache
von Julia Kiesler
Erschienen in: Recherchen 149: Der performative Umgang mit dem Text – Ansätze sprechkünstlerischer Probenarbeit im zeitgenössischen Theater (09/2019)
Die Trennung von Spiel und Sprache als ein zentrales Element von Claudia Bauers Faust-Inszenierung am Konzerttheater Bern wurde im Rahmen der Beschreibung musikalischer und intervokaler Herangehensweisen mehrfach erwähnt (vgl. u. a. S. 245 ff. u. 300 ff.). Das folgende Kapitel soll sich diesem methodischen Ansatz der Textarbeit noch einmal näher widmen und darüber hinaus ein weiteres Verfahren beschreiben, das mit der Trennung von Spiel und Sprache arbeitet: die Live-Synchronisation.
8.1 Prozesse des Ausagierens und der Reduktion
Die Regisseurin sucht gemeinsam mit den Schauspielerinnen und Schauspielern während des Probenprozesses nach Strategien und Verfahren, die eine Trennung von Spiel und Sprache ermöglichen und sichtbar machen. Auf einer der ersten Leseproben regt die Regisseurin an, viele Situationen stumm zu spielen und nur ganz bestimmte Texte zu sprechen, ganz nach dem Motto: Was man spielen kann, muss man nicht sagen. Sie möchte untersuchen, welche Texte es wirklich braucht, um einen Vorgang voranzutreiben. Eine Dopplung von Sprache und Handlung soll vermieden werden (vgl. Kiesler, Probenprotokoll 2014-06-12, 2).
Zum einen werden die Goethe-Texte als Regieanweisung für einen szenisch-spielerischen Vorgang genutzt, ohne dass ein/e Schauspieler/-in bzw. die Figur den Text auf der Bühne spricht. Ein Beispiel hierfür ist die Erarbeitung der Szene „Weltreise“, die Teile von...