II. Kulturpolitische Rahmenbedingungen im Stadt- und Staatstheater
von Joscha Schaback
Erschienen in: Recherchen 158: Kindermusiktheater in Deutschland – Kulturpolitische Rahmenbedingungen und künstlerische Produktion (01/2021)
1.Die Dominanz der Institution
Oper im Stadt- und Staatstheater ist eine über Jahrhunderte gewachsene Organisationsform, in denen die Zielgruppe Kinder lange Zeit keine und selbst in der Hochphase der Kindermärchenoper nur kurz eine Rolle spielte. Wie positioniert sich die Kinderoper mit ihrem Zielpublikum, ihren besonderen ästhetischen und partizipativen Formaten in einer Umgebung, deren Besucher seit jeher Erwachsene waren? Welche Konsequenzen hat es, dass ein Opernhaus, das sich grundsätzlich nach dem Abendspielplan richten muss, nun ein Kindermusiktheater hervorbringt?
Das kommende Kapitel spannt einen Bogen von den vergangenen Bestimmungen der Oper bis zur Gegenwart und ordnet das Kindermusiktheater darin ein. Zentrale Konflikte, denen das Kindermusiktheater noch heute ausgesetzt ist, haben Ursachen in der historischen Entwicklung des Musiktheaters im Stadt- und Staatstheater. Vor diesem Hintergrund sollen sowohl der Aspekt der Führung (»Die Intendanz«), der Arbeitsorganisation (»Arbeitsteiligkeit und Hierarchie«) als auch die Spielplanstruktur (»Kanon der Meisterwerke«) beleuchtet werden. Im zweiten Teil des Kapitels geht es darum, wie die festen Strukturen der Oper ab den 1990er-Jahren problematisiert und gelockert werden (»Kindermusiktheater und gesellschaftlicher Wandel«) und welche kulturpolitischen Funktionen das neue Kindermusiktheater übernimmt (gegen »Publikumsschwund« und für »Kulturelle Bildung« und »Interkultur«). Erst vor diesem Hintergrund kann man ermessen, was die Neugründungen Mitte der 1990er-Jahre bedeutet haben....