Kleist ist der ideale Gefährte im Geiste, wirft man sich mit höchster poetischer Traumwucht der schnöden Realität entgegen. Ein Souverän der „hochgespannten Situation“, der das Schneidende im Paradox jederzeit fühlbar zu machen versteht.
Alexander Weigel, viele Jahre Dramaturg am Deutschen Theater Berlin, einer jener klarblickenden Intellektuellen in der DDR, die die akademische Kaderschmiede instinktiv mieden und das Theater als Laboratorium der Zukunft suchten, hat immer beides im Blick, den Text und den Schauspieler, die Interpretation und das sich von dieser wieder emanzipierende Spiel. Er war Dramaturg bei Adolf Dresen und Heiner Müller, stand im Gedankenaustausch mit Wolfgang Heise, den Wolf Biermann seinen „DDR-Voltaire“ nannte und hinzufügte, er sei wohl der einzige echte Philosoph in der DDR gewesen. Der einzige wohl nicht, aber richtig ist: Die Denker – das ist bis heute so geblieben – tauchen immer da ab, wo Ideologie sie allzu sehr bedrängt, und da wieder auf, wo Bedrängnis (die ja nicht aufhört) fruchtbar zu werden verspricht. Unter anderem am Deutschen Theater der 1960er bis 80er Jahre.
Weigel also hatte Kleist immer im Doppelblick, zwischen Schiller und Lessing, Büchner, Brecht und Müller. Nun hat Alexander Weigel verschiedenste Texte zu Kleist, theaterpraktische, aber auch eher grundsätzliche und polemische, in dem...