„Im Athemholen sind zweyerlei Gnaden: / Die Luft einziehn, sich ihrer entladen“, weiß ein kurzes Gedicht aus Goethes „West-östlichem Divan“. Es leuchtet ein, dass dieser Goethe’-sche „Talisman“ B.K. Tragelehns Büchlein „Der Resozismus im Abendlicht“ eröffnet, das kürzlich in der bibliophilen Edition Ornament des quartus-Verlags erschienen ist. Schließlich rollt Tragelehns langes Gespräch mit Holger Teschke, das hier mit einigen Gedichten sowie drei Zeichnungen Strawaldes abgedruckt ist, noch einmal in aufschlussreicher Weise die Geschichte seiner Regiearbeit zwischen DDR und BRD auf und gibt so einen anderen „West-östlichen Divan“. Der Verweis auf Goethe bietet sich aber auch an, um den Bogen zu jenem benachbarten Buch der Ornament-Reihe zu schlagen, das hier zur Rezension steht: die kurze Kriminalgeschichte „Blaumalerei“ von Friedrich Dieckmann, dem Essayisten und Kritiker also, dem sich auch Tragelehns Titel „Resozismus im Abendlicht“ verdankt. Denn Caspar David Friedrichs „Abendlicht“ war Dieckmanns Assoziation zu Tragelehns berühmter Dresdner „Umsiedlerin“-Aufführung von 1985 (der ein Großteil des Gesprächs mit Teschke gewidmet ist) – ein Abendlicht der DDR, und zugleich ein Abschied.
Dieckmanns überraschender Ausflug in die Kriminalerzählung, seinerseits bildnerisch begleitet von Zeichnungen Horst Hussels, handelt von der Jagd nach einem Meißner Porzellanteller aus dem 18. Jahrhundert. Genauer: Die Jagd auf diesen „Urteller“ des berühmten Zwiebelmusters ist...