On the change of change
Handlung und Bühne unter gegenwärtigen Bedingungen
von Marita Tatari
Erschienen in: Recherchen 156: Ästhetiken der Intervention – Ein- und Übergriffe im Regime des Theaters (04/2022)
Die Weise, wie sich der Anspruch auf politische Intervention im Rahmen des Theaters und überhaupt der Gegenwartskünste heute ausdrückt, zeugt von einer Verwandlung der kulturellen und gesellschaftlichen Grundlage, die die Künste noch bis Ende des 20. Jahrhunderts formte und denkbar machte. Es kann in gewissem Sinn behauptet werden, dass die »Kunst«, diese Erfindung der Neuzeit, immer Intervention gewesen ist: Der Kunstbegriff stand für ein Gemeinsames ein, das keine Gegebenheit ist, sondern über das Gegebene hinausgeht, und zwar im Akt singulärer Werke. Bezeichnenderweise denkt Hegel die »Idee« der Kunst als »Handlung« und diese wiederum als die jeweils singuläre Form eines Kunstwerks.1 Form ist hier nicht als Gegensatz zu Inhalt gemeint, sondern als das singuläre Zusammenspiel aller beteiligten Elemente. Über Hegel hinaus – und trotz aller Kritik an der klassischen Ästhetik – ließ sich das Einstehen der Kunst für ein nie gegebenes Gemeinsames und damit für die Negation des Gegebenen noch bis Ende des 20. Jahrhunderts jeweils als neue Form verstehen. Die Kraft, mit der eine Kunstpraxis ins Reale aufbrechen konnte, die Kraft, mit der sie im öffentlichen Raum ein Ereignis in der Gegenwart über das Gegebene hinaus sein konnte, ließ sich auf der Grundlage der Form, genauer: auf der Grundlage...