Schiffbruch mit Zuschauer
von Dirk Baecker
Erschienen in: Recherchen 99: Wozu Theater? (01/2013)
Die einen wagen sich auf die hohe See hinaus und kommen darin um. Die anderen stehen am Ufer, schauen zu und machen sich Gedanken. Das ist die Metapher des Schiffbruchs mit Zuschauer, der Hans Blumenberg unter diesem Titel ein ganzes Buch gewidmet hat1 und die immer noch genauer die menschliche Situation trifft als das Bild vom rettenden Hafen. Der Hafen ist selbst nichts anderes als eine Etappe der Seefahrt. Seine Ruhe ist eine trügerische. Der Schiffbruch kann schon im Hafen stattfinden. Die Zuschauer können sogar an ihm beteiligt sein. Aber wer besorgt dann das Nachdenken?
Wolfgang Krause Zwieback („lyrics, voices, hairs“) führt seine Zuschauer mit seiner Leipziger Produktion „Dampferaufgang 6.13 Uhr“, die im Berliner Podewil zu sehen war, in die Laborsituation des Schiffbruchs mit Zuschauern ein. Er wird musikalisch von Christian Sade (Trompeten, electronics, piano) begleitet, der nicht so recht in ein Bild passt, in dem Zwieback verschiedene Facetten eines Schiffbrüchigen vorführt, der als sein eigener Zuschauer agiert. Kann man das Eingehen eines Wagnisses mit dem Nachdenken über das Scheitern zusammenbringen? Das scheint mir die Frage zu sein, der Zwieback nachgeht. Wer will, muss diese Frage im Zusammenhang mit einer Post-Wende-Situation sehen, in der die schiffbrüchigen DDR-Bewohner gezwungen sind,...