Nachsatz
von Bruno Flierl
Erschienen in: Selbstbehauptung – Leben in drei Gesellschaften (05/2015)
Im Rückblick auf mein Leben erkenne ich erst jetzt so recht, was mir schon in den letzten Jahren immer bewusster geworden ist: Ich hatte ein außerordentliches Leben in einer außerordentlichen Zeit der Menschheitsentwicklung, die mich mit ihren umwälzenden Vorgängen fortlaufend zur tätigen – ideellen und praktischen – Auseinandersetzung mit ihr forderte und dadurch auch formte. Als Deutscher in der Mitte Europas erlebte ich im 20. Jahrhundert den Zweiten Weltkrieg mit der Niederlage Nazi-Deutschlands und daran anschließend den weltweiten Kalten Krieg mit der Teilung Deutschlands in zwei Staaten und Gesellschaften, deren Folgen bis heute nicht überwunden sind. Als Bürger der DDR erlebte ich den Versuch und das Scheitern des Aufbaus einer sozialistischen Gesellschaft zugleich mit dem Scheitern des realen Sozialismus im gegenwärtigen Zeitalter des noch immer weltweit dominanten Kapitalismus mit seinen unvereinbaren Widersprüchen zwischen Arm und Reich, Nationalismus und Internationalismus. Das Scheitern meiner persönlichen sozialistischen Utopie erfüllt mich dennoch mit Wehmut. Als Bundesbürger erlebe ich die scheinbar ungebrochene Potenz des Kapitalismus, aber auch seine in ihm selbst veranlagte Perspektivlosigkeit, Probleme der Menschheit zukunftsorientiert zu lösen. Die begonnene Globalisierung provoziert weltweite Lösungen im gesellschaftlichen Verhalten der Menschen und Länder dieser Erde untereinander und gegenüber der Natur zu ihrem Nutzen – aber ihr...