Theater der Zeit

5.2. Dieses obskure Subjekt der Begierde

von Sebastian Kirsch

Erschienen in: Das Reale der Perspektive – Der Barock, die Lacan’sche Psychoanalyse und das ‚Untote‘ in der Kultur (07/2013)

Nun liegt ein Skandalon der Psychoanalyse nach wie vor in ihrer phallischen Aufladung der medialen Bedingtheiten des Subjekts (die man ansonsten leichter akzeptiert, etwa als das »Immer schon in einem Medium sein«, auf das Benjamin oder auch die Dekonstruktion so stark abheben). Dabei zeigt aber nicht nur das Beispiel von Sehpyramide, Zentralstrahl und Velum deutlich, dass die notwendige Beschränktheit des medialen Zugangs zur Welt in der Tat eng mit geschlechtlichen Kategorien zusammenhängt. Auch andere wichtige europäische Medien (Geld, Schrift) sind – wie sich von den Geschlechtertheoretikerinnen Christina von Braun und Bettina Mathes lernen lässt – schon seit der Antike immerzu mit etwas verbunden, das man als vorgängige Kastration bezeichnen kann. Supplementiert wird diese »Kastrationswunde« mit dem Vokabular der Zeugungskraft, der phallischen Potenz und der Fähigkeit zur Fortpflanzung, das auf mediale Vermögen regelmäßig angewendet wird (im Falle des Geldes Redewendungen wie »den Sack voller Klunker haben«, »eine Geldspritze geben«, »liquide sein«, »sich wieder aufrichten«, »eine Stange Geld haben«, »gut dastehen«, oder auch »einknicken« und »den Geldhahn zudrehen«).55

Besonders prägnant ist, neben den Beispielen der Perspektive und des Geldes, das der Schrift, also des symbolischen Mediums par excellence. So ist die Geschichte des Alpha (bzw. Aleph), des ersten Buchstabens des hebräischen, lateinischen,...

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