Eine stürmische Ermutigung
Castorf in Taiwan
von Hung Hung
Erschienen in: Arbeitsbuch 2016: Castorf (07/2016)
Assoziationen: Asien Frank Castorf
Zeitgenössisches deutsches Theater war in Taiwan bis 2006, bis Thomas Ostermeier mit „Nora“ und „Wunschkonzert“ hier gastierte, unbekannt, wenngleich Brecht als Klassiker in den Theaterschulen studiert und manchmal auch an diesen aufgeführt wurde. Ich selbst habe in den neunziger Jahren mit meiner Theatergruppe Heiner Müller, Botho Strauß, Peter Handke und Werner Schwab inszeniert. Aber das Publikum wusste wenig vom deutschen Theater. Allenfalls gab Pina Bausch bei ihrem Gastspiel 1997 in Taiwan noch einen Eindruck davon.
Meine erste Begegnung mit der Volksbühne datiert auf 1994. Ein Schock. Ich war damals als Dichter zum Kunstenfestivaldesarts in Brüssel eingeladen, zu einer Ausstellung von Fotografen und Lyrikern aus Hong Kong, Taiwan und China. Gleich vom Flughafen aus gingen wir ins Theater. Auf der Bühne: viele ältere Menschen in einem alten Café. Keine Ahnung, warum sich diese Beckett-Figuren dort versammelt hatten. Lieder aus dem Ofen erinnerten irgendwie an den Holocaust. Ich war damals dreißig und sah zum ersten Mal ein Stück ohne Worte, das keine Pantomime war. Ganz wunderbar. Dessen Titel war zu lang, um ihn zu verstehen oder jetzt noch zu erinnern. Aber ich erinnere mich an den Namen des Regisseurs: Christoph Marthaler. Und an ein seltsames Logo auf dem Kondom, das ich am...