Es geht um den Realismus
von Georg Lukács
Erschienen in: Georg Lukács – Texte zum Theater (06/2021)
Zu ihrer Zeit hat die revolutionäre Bourgeoisie einen heftigen Kampf für die Sache ihrer Klasse geführt, mit allen Mitteln, auch mit dem der schönen Literatur. Was hat die Reste der Ritterschaft zum allgemeinen Gelächter gemacht? Cervantes’ »Don Quichotte«. Der »Don Quichotte« war die stärkste Waffe in den Händen der Bourgeoisie in ihrem Kampfe gegen den Feudalismus, gegen die Aristokratie. Das revolutionäre Proletariat braucht wenigstens einen einzigen kleinen Cervantes (Heiterkeit), der ihm eine ebensolche Waffe geben könnte. (Heiterkeit, Beifall.) G. Dimitroff, Rede an dem antifaschistischen Abend im Moskauer Haus der Schriftsteller
Die Expressionismusdebatte im »Wort« bietet für den verspäteten Teilnehmer eine gewisse Schwierigkeit; viele haben den Expressionismus leidenschaftlich verteidigt. In dem Augenblick aber, als man konkret sagen sollte, wer nun der vorbildliche expressionistische Schriftsteller sein sollte, ja, wer überhaupt verdient, Expressionist genannt zu werden, gehen die Meinungen so schroff auseinander, dass es keinen einzigen nicht umstrittenen Namen gibt. Man fragt sich sogar – gerade beim Lesen der leidenschaftlichen Verteidigungsreden – zuweilen, ob es denn überhaupt Expressionisten gab.
Da wir hier nicht über die Bewertung einzelner Schriftsteller, sondern um Prinzipien in der Entwicklung der Literatur streiten werden, ist die Entscheidung dieser Frage für uns nicht allzu wichtig. Für die Literaturgeschichte gibt es...