Thema
Erste Hilfe? – Österreich
Programme für freie Künstlerinnen und Künstler in der Coronakrise
Erschienen in: Theater der Zeit: Safety first – Theater in Zeiten von Corona (05/2020)
Bereits am 17. März, als die österreichische Bundesregierung die Schließung aller Theaterspielstätten beziehungsweise einen generellen Veranstaltungsstopp verfügte, bezifferte Bundestheater-Holding-Geschäftsführer Christian Kircher den drohenden finanziellen Schaden konkret: „Sollten wir diese Spielzeit nicht mehr öffnen können, würde das Einnahmeneinbußen von 21 Millionen Euro bedeuten, das sind 190 000 Euro pro Tag.“ Die Holding, zu der auch das Burgtheater gehört, meldete für fast alle ihrer 2300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter umgehend Kurzarbeit für drei Monate an. Das Kurzarbeitsmodell ist eine der zentralen Maßnahmen der Regierung und soll auch im Kulturbetrieb Arbeitsplätze absichern helfen. „Niemand wird zurückgelassen“, versicherte Kulturstaatssekretärin Ulrike Lunacek (Grüne) wenige Tage nach dem Shutdown und kündigte für die oft in komplexen Beschäftigungsverhältnissen lebenden Künstler und Kulturvermittler weitere staatliche Hilfeleistungen an.
Zentral sind zwei Fördertöpfe: Einerseits ist es nebst allen Berufssparten auch Kulturschaffenden möglich, Überbrückungsgeld aus dem mit zwei Milliarden Euro dotierten Härtefallfonds zu beanspruchen, der von der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) abgewickelt wird. Dieser Fonds ist für freie Dienstnehmer und Kleinst- sowie Einpersonenunternehmen gedacht. Wer die dafür notwendigen Kriterien nicht erfüllt – sei es wegen einer Mehrfachversicherung oder weil beim Verdienst die Geringfügigkeitsgrenze nicht erreicht wird –, für den oder die steht der mit fünf Millionen Euro dotierte Künstlersozialversicherungsfonds (KSVF) offen. Ein Schauspieler beispielsweise, der zusätzlich halbtags einer Nebenbeschäftigung nachgeht, die wegen Corona nun ausfällt, bekommt Überbrückungsgeld durch den KSVF. Für beide Töpfe gilt eine Maximalbezugshöhe von insgesamt 6000 Euro, aufgeteilt auf drei Monate. Die Bezüge müssen nicht zurückgezahlt werden.
Besonders schwer ist die freie Szene getroffen, deren Protagonisten keine Sicherheitsnetze haben und die nun durch Proben- wie Vorstellungsausfall in ihrer Existenz bedroht sind. 75 Prozent aller bis zum Sommer geplanten Vorstellungen seien bereits abgesagt, so die Erhebungen der IG Freie Theater Ende März. Das ist in den erfahrungsgemäß einkommensstarken Monaten des Spätfrühlings besonders gravierend. Pro Vorstellung entfallen einer Schauspielerin oder einem Schauspieler Bruttoeinnahmen zwischen 175 bis 350 Euro, so die bisherige Auswertung. Zusätzlich fallen aber auch noch Nebeneinkünfte wie die Untervermietung von Probenräumen oder Unterrichtstätigkeit weg.
Erleichterungen soll es auch im Förderwesen geben: Bereits zugesagte Fördergelder werden weiterhin ausbezahlt, unabhängig von der Realisierung der betreffenden Produktion. Ebenso können bereits erhaltene Gelder einbehalten werden. Durch alle Netze fallen indes jene, die ganz ohne Subventionen arbeiten. Auch für sie soll es eine Form der Entschädigung geben. Die IG Freie Theater plädiert im Zuge dessen für ein neues Fördermodell: Weg von der Projektförderung, hin zu einer Förderung des künstlerischen Arbeitsprozesses für die Dauer von mindestens sechs Monaten, sodass ein Anspruch auf Arbeitslosengeld erwächst. Das bleibt vorerst ein Wunsch.
Neben den bundesweiten Maßnahmen haben die Länder gesonderte Soforthilfepakete geschnürt. In der Steiermark beispielsweise werden sich Kultur und Sport um 690 000 Euro streiten müssen. Falls Theaterschaffende keine Bundesunterstützung erhalten, sieht der Fonds ein Überbrückungsgeld von 917,35 Euro monatlich für drei Monate vor, das wären für diesen Zeitraum maximal 2752 Euro pro Person. Vorarlberg hat ein Einhundert-Millionen-Euro-Paket für alle geschnürt und Niederösterreich hat angekündigt, für seine Kulturschaffenden möglichst individuell zugeschnittene Lösungen zu finden.
Auch Stiftungsgelder sollen ausgeschüttet werden. Die gemeinnützige Privatstiftung Philanthropie Österreich beispielsweise will mit ihren Partnern vor allem jenen helfen, die durch alle Fördernetze durchgefallen sein werden. Etwa, wenn in staatlichen Fördertöpfen kein Cent mehr übrig sein wird. //