Magazin
Der Ölwert der Demokratie
Das internationale Theaterfestival Unidram lud zu seinem 25. Jubiläum in die Potsdamer Schiffbauergasse ein
von Sabine Schmidt
Erschienen in: Theater der Zeit: Feier des Absurden – Nürnbergs neuer Schauspielchef Jan Philipp Gloger (12/2018)
Assoziationen: Brandenburg
Neun Tage lang brillierte die 25. Ausgabe des internationalen Theaterfestivals Unidram als grenzenüberschreitende Zukunftswerkstatt für freie Theatermacher. Und schuf damit eine Plattform für zeitgenössisch-visuelles Theater, die sich über zehn Spielstätten in der Potsdamer Schiffbauergasse erstreckte. Unidram, das 1994 als studentische Initiative begann und in den ersten Jahren eine Mischung aus studentischem und freiem Theater war, konzentrierte sich laut Festivalleiter Jens-Uwe Sprengel ab seiner fünften Ausgabe ganz auf freies Theater. Ursprünglich geht das Potsdamer Festival auf eine Idee der Theatergruppe DeGater’87 zurück, die die allererste Ausgabe mit ihrer Inszenierung „Jelisaweta Bam“ von Daniil Charms eröffnete, erzählt Sprengel, der neben Franka Schwuchow und Thomas Pösl zu den Initiatoren von Unidram gehört.
Dieses Jahr feierte das Theaterfestival nun sein 25. Jubiläum. Die Kuratoren Schwuchow, Pösl und Sprengel haben aus knapp fünfhundert Bewerbungen und mit einer Förderung von 190 000 Euro ein Festivalprogramm mit 16 Experimenten aus elf europäischen Ländern zusammengestellt. Zu sehen waren Arbeiten, die besonders visuell beeindruckten, unter anderem von den Künstlergruppen Akhe (Russland), Aura Dance Theater (Litauen) und Teatro Koreja (Italien).
Teatro Koreja greift in seiner Inszenierung „Frame“ die magischen Bildwelten von Edward Hopper auf, um intime Momente ohne Worte darzustellen. Die einzelnen Szenen ergeben kurze Geschichten, die wie gemalt wirken und zugleich vor Lebendigkeit trotzen. Ebenso bemerkenswert war das Experiment „Deep“ von Daan Mathot. Gefangen in einer tief im Boden verankerten Box, verwirrt der Künstler seine Zuschauer mit optischen Effekten, Gegenstände fliegen von unten nach oben, die Schwerkraft und damit die Realität ist mittels eines Spiegels buchstäblich auf den Kopf gestellt.
Die revoltierenden Bilderwelten der Künstler bewegten sich zwischen Illusion und Wirklichkeit und verschmolzen genreübergreifend Ästhetiken zu einer Einheit, oftmals mit politischem Inhalt wie beispielsweise die Performance „Demokratie“ von Akhe. Das russische Künstlerkollektiv (Maxim Isaev, Pavel Semchenko, Nick Khamov), hier als Bäcker kostümiert, schnitzt auf drei geschlossenen Ölfässern sitzend die Buchstaben des Wortes „демокра’тия“ (Demokratie) in Brotlaibe. Anschließend öffnen die drei Performer die Fässer und tauchen ab in 159 Liter Öl. Mit Öl als Farbersatz und den Brotlaiben als Stempel kreieren sie später zehn Bilder mit je einem Buchstaben des Wortes Demokratie, die unter Beachtung des aktuellen Ölpreises als Unikate (Öl auf Leinwand!) an sieben Zuschauer verkauft werden.
Weniger politisch, aber zutiefst philosophisch wurde das Festivalprogramm mit der Deutschlandpremiere von „Game Changer“ vom Aura Dance Theatre. Die Gruppe um Choreografin Birutė Letukaitė fragt darin nach dem Geist der Freiheit und verbindet schwarz-weiße geometrische Figurinen (Kostüme Guda Koster), die an Oskar Schlemmers „Triadisches Ballett“ erinnern, mit klassischem und zeitgenössischem Tanz. Dabei verknüpft Letukaitė streng-kontrollierte Bewegungen mit der einengenden Struktur der Kostüme, bis die Bewegungen der Tänzerinnen und Tänzer immer dynamischer werden, sie also förmlich revoltieren und sich schließlich aus der farblosen Kleidung befreien.
Insgesamt erzielte das neuntägige Festival in seiner 25. Ausgabe eine erfolgreiche Bilanz. Die Zuschauerzahlen, sagt Organisator Sprengel, seien mit insgesamt etwa 4000 Besuchern sehr viel höher gewesen als in den Jahren zuvor. Die 26. Ausgabe wird vom 29. Oktober bis zum 2. November 2019 stattfinden. Sprengel hofft für die Unidram-Zukunft auf „neue kreative Räume“. So könne er sich beispielsweise Kunsträume vorstellen, die Ausstellung und Performance unter Einbeziehung von Freiflächen mit multimedialen Installationen verbinden. //