Abschied
Für immer mit Harry
In Gedenken an den großen Opernregisseur Harry Kupfer
von Jürgen Flimm
Erschienen in: Theater der Zeit: Cordelia Wege – Schöpferisches Risiko (02/2020)
Assoziationen: Akteure
Er stand auf einem hohen Gerüst, diese zierliche, feine Person und dirigierte! Dirigierte mehrere Gruppen des Chors, die er mit Buchstaben belegte, von einem Teil der Bühne zu einem anderen, imaginäre Ziele absteckend. Die Kolleginnen und Kollegen schritten und rannten und trödelten und zögerten, von einem Punkt zum anderen, steckten die Köpfe zusammen und stoben wieder auseinander. Alles immer in einem absichtsvollen Gewusel. Trippelten und wandten sich, selbst in plötzlichem Stand standen sie nicht stille, die Köpfe drehten, die Finger zeigten, aufgerissene Augen und Münder, irgendetwas war geschehen! Staunen und Furcht. Geschehen war: Harry Kupfer arbeitete mit dem Chor der Kölner Oper. Er stand hoch oben und hatte so einen höchst praktischen Ausblick und Überblick. Ich – Anfang der 1980er Jahre Chef vom Schauspiel von nebenan – war höchst beeindruckt von diesem Probenbesuch und lernte ganz schön.
Wir kannten uns aus Frankfurt, er lobte unsere Nono-Aufführung, war zugeneigt und fröhlich, dieser Ossi aus Berlin. Er hatte früh mit diesem schwierigen Beruf angefangen, war eine ziemlich steile Treppe nach oben geklettert und saß bald auf dem Felsenstein-Thron in der Komischen Oper in Ostberlin: Chefregisseur. Und das blieb er lange. Aber er verließ oft genug die Behrenstraße und wandelte durch die weite...