Berichte aus der Arbeitswelt
von Bernd Stegemann
Erschienen in: Lob des Realismus (05/2015)
Berichte aus der Arbeitswelt sind im Drama selten. Obschon die Arbeitszeit für den Menschen in der modernen Arbeitsgesellschaft den weitaus größten Teil seiner Lebenszeit einnimmt, hat sie nur sehr sporadisch Eingang ins Drama gefunden. Die Unterscheidung menschlichen Handelns in die sozialen Handlungen einerseits und die herstellenden Tätigkeiten andererseits mag hierfür noch der zentrale, wenn auch in seinen Implikationen inzwischen längst vergessene Grund sein.
Der Ursprung dieser Unterscheidung reicht bis zur aristotelischen Tragödientheorie zurück. Deren Gegenstand sollen die Handlungen sein, die aufgrund von fehlerhaften Erkenntnissen zu falschen Entscheidungen führen. Die Erkenntnis ist jedoch notwendig fehlerhaft, da der Raum sozialer Handlungen über unendliche Möglichkeiten verfügt. Jede Entscheidung reduziert diese Komplexität aufgrund eines selektiven Wissens. Sie ignoriert die absolute Dimension des Menschseins und lädt darum notwendig Schuld auf sich. Diese Handlungen werden deutlich unterschieden von den Tätigkeiten, die der Herstellung dienen. Für Handlungen gilt die Unvorhersehbarkeit allen menschlichen Wollens, während für Tätigkeiten die Planbarkeit aufgrund von Erfahrung, Technik und Wissenschaft gilt. Verfügt jemand über die handwerklichen Kenntnisse des Schreinerns, so wird ihm der Stuhl gelingen. Für die sozialen Handlungen gilt diese Zuversicht nicht. Denn hier wird nicht totes Material behandelt, sondern die Mitmenschen, und die sind bei aller Menschenkenntnis nicht so berechenbar wie...