Eine Art geschichtsschreibende Dokumentation
von Milo Rau und Julia Bendlin
Erschienen in: Die Enthüllung des Realen – Milo Rau und das International Institute of Political Murder (11/2013)
Julia Bendlin / Milo Rau
Julia Bendlin Milo Rau, Sie inszenieren einen dreitägigen Gerichtsprozess gegen „Die Weltwoche“. Was steckt dahinter?
Milo Rau Ich sehe die Zürcher Prozesse als eine Art geschichtsschreibende Dokumentation. Sie sind der Versuch, die zentralen Konfliktlinien unserer Gesellschaft in den letzten zehn Jahren aufzuzeigen. Mit einem möglichst breiten Spektrum an Akteuren. Insofern ist „Die Weltwoche“ eher ein Stichwortgeber. Ein sehr interessanter, finde ich, denn hier werden die Konfliktlinien klar. Sagen wir so: „Die Weltwoche“ ist ein Vorwand, um über die Schweiz nachzudenken.
Bendlin Was ist ihre persönliche Haltung?
Rau Ich bin klar links. In einem solchen Projekt geht es aber um etwas anderes als meine persönliche politische Einstellung. Ich nehme da immer das Beispiel von Gustave Flauberts Roman „Madame Bovary“. Flaubert hat sich nicht für Madame Bovarys Ehebruch interessiert – sein Buch war damals deshalb ein Skandal – sondern für eine gesellschaftliche Situation, die sich anhand der Analyse dieses Ehebruchs zeigen lässt. So ist es auch bei meiner Auseinandersetzung mit der „Weltwoche“. Diese Zeitschrift betreibt seit vielen Jahren Meinungsbildung von einer rechtsnationalen Seite aus, das interessiert mich als Phänomen. Auch die journalistischen Strategien finde ich sehr interessant, wenn es da nicht diese Minderheitenproblematik gäbe.
Bendlin Letzten Endes...