Dead on arrival
Mauerfall
von Armin Petras
Erschienen in: backstage: PETRAS (04/2021)
Der Strom der Erinnerung wird von Tag zu Tag dünner und nicht nur das – er blüht. Blüht wie der Reisewetterbericht von Bitterfeld, als es hier noch rostrote Schwäne gab und Wäsche, die niemals draußen hing, so viel Dreck war in der Luft. Was auffällt, ist, dass die Zeit einen anderen Betrag hatte, sie war – eher so wie bei Dalí die Uhren – gequetscht, tropfend. Ich mochte schon damals lieber Taucheruhren.
Dafür das Sehnen: Das war größer, viel größer. Sehnsucht für alle war nie knapp. Es gab noch die Ferne, den Urwald, Godard – jetzt gibt es TUI, die Angst, dass es überall kaputter ist als zu Hause und man sich nicht mal mehr nach Ägypten traut, und die Berlinale. Die Dispositive der Macht haben sich verwandelt – aus einem ängstlichen, dümmlichen, manchmal gefährlichen Provinzregime, dessen Utopie eines Arbeiterstaates zu einer klebrigen Kleinbürgertapete mit echtem Stacheldraht mutierte, ist eine totale Diktatur des Konsums geworden, die alle Ressourcen, alle, alle Welten und Kulturen aussaugt, zerstört, verschluckt. Was bleibt, sind Produkte/Müll und Wüste (DIE SPRENGUNG DES HIMMELS DURCH GESTEIGERTE MENSCHHAFTIGKEIT). Der Kapitalismus als erste Religion ohne Heil. Der Himmel ist nicht eingeplant, genauso wenig wie die Buße. Nur die Apokalypse ist...