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kirschs kontexte: Was für ein Drama?!
Müller gut, Jelinek böse
von Sebastian Kirsch
Erschienen in: Theater der Zeit: Alles außer gewöhnlich – Die Schauspielerin Jana Schulz (03/2017)
„Das Drama wird von den deutschen Bühnen verdrängt. Der aus der freien Theaterszene kommende Trend zu Textflächen, Performances, Stückentwicklungen und dokumentarischen Formaten, die häufig durch die Arbeit mit sogenannten ‚Experten‘ für vermeintliche Authentizität werben, greift inzwischen immer mehr auf die Stadt- und Staatstheater über.“ Dieser alarmierende Befund stammt nicht von Gerhard Stadelmaier. Er eröffnet vielmehr das Konzept der prominent besetzten Tagung „Die Zukunft des Dramas“, die im Januar unter anderem vom Heiner Müller Archiv/Transitraum im Berliner Brecht-Haus veranstaltet wurde.
Ich habe die Tagung nicht besucht. Aber allein das Konzept, das sich mehr als selbständiges Manifest gibt (http://www.zukunft-des-dramas. de/download/Die-Zukunft-des-Dramas_Konzept.pdf), scheint mir so kritikwürdig und zugleich von exemplarischen Missverständnissen durchzogen, dass es einen eigenen Kommentar wert ist. Eigentlich müsste man es sogar Zeile für Zeile entwirren. Denn nur schon die zitierten Sätze werfen so vieles durcheinander, dass man kaum nachkommt, von der suggerierten Gleichsetzung der deutschen Bühnen mit den Stadt- und Staatstheatern bis zum pauschalen Vorwurf eines naiven Haschens nach Authentizitätseffekten, das ja eher zum Kerngeschäft des Stadttheaterbetriebs gehört: Zu dessen Spezialitäten zählt schließlich seit je die Produktion von Realitätseffekten, die Realität einfach als gegeben voraussetzt, als äußeres, nachahmbares Modell. Ein Punkt indes kommt mir besonders abenteuerlich vor: Was hier...