Aspekte europäischer Selbstkritik“ hat Stefanie Carp ihrem Festival in diesem Jahr verordnet, nachdem die Intendantin der Ruhrtriennale in ihrer ersten Saison ihrerseits in die Kritik geraten war, weil sie eine der BDS-Kampagne nahestehende Band ein-, aus- und wieder eingeladen hatte. Man lernt aus Fehlern, jedenfalls wenn es sich eher um Fehler auf dem diplomatischen Parkett handelt, weniger um politische Fehlgriffe im engeren Sinn. Zum Job einer Triennale-Intendantin gehört es auch, möglichst jährlich neue attraktive Spielorte im dicht besiedelten Ruhrgebiet aufzutun, die ja keine originären Theaterspielstätten sein sollen: Welcher Ort eignet sich besser für eine kritische Selbstbefragung als das Auditorium maximum einer Universität, das schon von seiner amphitheatralen Anordnung her einem großen Parlament mit 1700 Plätzen ähnelt?
Die Ruhr-Uni Bochum, erst Ende der sechziger Jahre gegründet, wurde also zum Schauplatz der Eröffnungspremiere mit dem Titel: „Nach den letzten Tagen. Ein Spätabend“ von Christoph Marthaler, dem artiste associé der Ruhrtriennale. Von den 1700 Plätzen im weiten Rund war freilich höchstens die Hälfte besetzt, denn auf der gegenüberliegenden Seite tagte ein bizarres Parlament, bestehend aus zehn Spielern der Marthaler-Company, darunter Walter Hess, Josef Ostendorf, Bettina Stucky, die im 22. Jahrhundert, 200 Jahre nach dem Genozid, noch (oder wieder) einen Kaiser in ihrer Mitte...