Der monte verità und Dada
von Peter Michalzik
Erschienen in: 100 Jahre Theater Wunder Schweiz (11/2020)
Kurz bevor es ganz oben war, an der Quelle des Rheins, kurz vor dem Gotthard, machte das Auge einen Abstecher nach Süden. Dieser Abstecher führte es ins Tessin, wo es, vor allem in Ascona, merkwürdige Dinge sah. Hier und auf dem nahen Monte Verità hatten Mary Wigman, Rudolf Laban und andere einen neuen, selbständigen, musikunabhängigen Tanz entwickelt und erprobt, der für die Geschichte des Tanzes kaum zu überschätzende Bedeutung bekam. Wigman war Schülerin von Jaques-Dalcroze gewesen. Sie und Laban hatten auf dem Monte Verità eine Sommerschule gegründet, waren mit dieser Schule dann weiter nach Zürich gezogen, wo sie jetzt arbeiteten und unterrichteten. Fast ausschliesslich Frauen – Suzanne Perrottet, Sophie Täuber-Arp, Maja Lederer, Emmy Hennings, Katja Wulff – waren an dem Projekt beteiligt gewesen. Während des Kriegs hatten die Tänzer Clotilde von Derp und Alexander Sacharow in Lausanne gelebt und waren dann nach Zürich gegangen. Dass der Tanz auf dem Monte Verità eine so zentrale Bedeutung hatte, wahrscheinlich vor allen anderen Künsten, nimmt eine Bewegung vorweg, die ein dreiviertel Jahrhundert später abgeschwächt die gesamte Gesellschaft ergriffen hat.
Die Arbeit von Laban und Wigman fand mehr als zehn Jahre später eine „schweizerische“ Fortsetzung in München. Hier inszenierte Mary Wigman 1930 das Stück...