Wutkultur, die wütend macht
von Bernd Stegemann
Erschienen in: Wendungen: Wutkultur (08/2021)
Die rechte wie die linke Wutkultur unterbieten den erreichten Stand der Kommunikation. Rechtsidentitäre Wutkultur will zurück zu einem Zustand der Einsinnigkeit. Dabei ignoriert sie, dass die Homogenität, die in der guten alten Zeit verortet wird, schon damals eine Konstruktion war. Die Nationenbildung war ebenso von politischen Interessen geleitet wie die Einteilung der Menschen in Rassen. Die nostalgische Sehnsucht will einen Zustand wiedergewinnen, der so nie existiert hat. Hinzu kommt, dass in der deutschen Geschichte die Behauptung, einer besonderen Nation anzugehören, so brutale Folgen gehabt hat, dass dieser Weg der Gemeinschaftsbildung noch für lange Zeit vergiftet bleiben wird.
Linksidentitäre Wutkultur ist ein Kind der postmodernen Theorien. Sie bewegt sich geschickt in dem Labyrinth von Paradoxien und nutzt diese zu ihrem eigenen Vorteil. Doch gerade weil sie sich an die Gedanken der Zeit anschließt, hat sie für die Kommunikation ungleich größere Folgen. Sie wirkt auf den ersten Blick wie ein Projekt des gesellschaftlichen Fortschritts. Doch je erfolgreicher sie ihre Methode anwendet, desto sichtbarer werden die negativen Folgen. Der Kern dieser Methode besteht darin, unterschiedliche Maßstäbe für unterschiedliche Identitätsgruppen durchzusetzen. Um diese doppelten Standards zu etablieren, muss sie den Universalismus bekämpfen. Der Trick, mit dem sie das schafft, besteht darin, dass sie den...