Zwischen Text und Repertoire
Die Krise der Repräsentation, die Oper und die Regie
von Dörte Schmidt
Erschienen in: Recherchen 113: Die Zukunft der Oper – Zwischen Hermeneutik und Performativität (06/2014)
Wie hältst du’s mit der Hermeneutik? Das ist die Frage, die Barbara Beyer uns mit dem Projekt „Oper anders denken“ aufgegeben hat, um den Umgang mit dem Repertoire zu diskutieren. Warum aber soll man diese Frage heute überhaut noch stellen, über ein Vierteljahrhundert, nachdem Christoph Menke seine provokativ Nach der Hermeneutik betitelte Dissertation für die Druckfassung selbstbewusst umbenannt hat in Die Souveränität der Kunst? Ist das Problem nicht spätestens damit abgehakt und die „Verabschiedung“ der Hermeneutik längst erreicht?1 Was genau ist das Problem und was daran ist heute für das Theater noch aktuell? Bekanntlich ist die Hermeneutik ursprünglich eine Methode der Theologie: Sie dient der Textauslegung und verweist über (oft aktualisierende) Sinnzuschreibungen auf die Existenz Gottes. Dass dies für eine Theaterform wie die Oper attraktiv erscheint, die so sehr über die Grenzen der Sprache hinausweist,2 gleichzeitig aber bei der Aufführung schon aus pragmatischen Gründen (zum Beispiel der Koordination in der Musik) deutlich stärker auf Texte (auch auf Notentexte) angewiesen ist als das Sprechtheater, mag einleuchten, bezeichnet aber auch die heikle Stelle. Das der Hermeneutik eigene Verweisen auf die höhere Instanz hat ein entscheidendes Problem: Musiktheater, das sich als Kunst versteht, fordert ästhetische Präsenz und ist deshalb „als...