Theater der Zeit

Thema

Wenn der Staat ausfällt

Das neue Förderprogramm „Szenenwechsel“ der Robert Bosch Stiftung und des Internationalen Theaterinstituts

von Patrick Wildermann

Erschienen in: Theater der Zeit: Birgit Minichmayr – Ich bin es und bin es nicht (01/2013)

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Die Völker zu verbinden, indem man sie miteinander ins Spiel bringt, ist zwar kein neuer, aber doch ein einleuchtender Gedanke. Die unternehmensverbundene gemeinnützige Robert Bosch Stiftung hat jüngst beschlossen, ihre Kulturförderung auszuweiten – und dabei das Theater für sich entdeckt. „Weil es den Beteiligten, Akteuren wie Zuschauern, eine unmittelbare Begegnung ermöglicht“, wie Maja Pflüger betont. Sie leitet für die Stiftung das neu aufgelegte Förderprogramm „Szenenwechsel“, das internationale künstlerische Kooperationen anbahnen soll. Und zwar zwischen einem Theater oder einer freien Gruppe aus dem deutschsprachigen Raum sowie einem Partner aus den Ländern Osteuropas oder Nordafrikas. Den geografischen Schwerpunkt erklärt Pflüger mit der Ausrichtung der Stiftung. Der Austausch mit den näheren und ferneren östlichen Nachbarn wird dort bereits seit den achtziger Jahren forciert, seit 2006 werden auch die nordafrikanischen Länder in den Fokus genommen. Und zweifellos bieten gerade die jüngsten Verwerfungen in Umbruchstaaten wie Ägypten oder Libyen reiches Material für die künstlerische Reflexion.

Die Bosch Stiftung will Finanzen und Erfahrungen einbringen. Die Kontakte im Theaterbereich soll als Partnerorganisation das Internationale Theaterinstitut (ITI) vermitteln. Für den „Szenenwechsel“ ist ein Etat von 360 000 Euro bewilligt worden, wobei das Programm auf mindestens vier Jahre angelegt ist. Projekte können mit bis zu 15 000 Euro gefördert werden, das Geld ist allerdings zweckgebunden einzusetzen: für Übersetzungshonorare und Projektentwicklung, Recherchereisen sowie Unterkunftskosten. Antragsberechtigt sind nur die deutschsprachigen Theater bzw. Gruppen, die dann Mittel für Reisen und Unterkunft an den ausländischen Kooperationspartner weiterleiten müssten. Was Maja Pflüger mit stiftungsrechtlichen Gründen erklärt.

Produktionskosten abzudecken ist ausdrücklich nicht vorgesehen. „Wir als private Stiftung mischen uns nicht in die Grundfinanzierung der Kulturförderung ein“, betont Pflüger. Das Ziel könne nicht sein, die Länder und Kommunen zu entlasten. Deswegen würden jene Posten gedeckt, die normalerweise aus der Förderung fielen; ein „Alleinstellungsmerkmal“ des Programms sei das. Freilich: Die meisten festen Theater und freien Gruppen im deutschsprachigen Raum orientieren sich längst und zunehmend international – vor diesem Hintergrund gibt es zumindest zu denken, dass die Wirtschaft einspringt, wenn der Staat ausfällt.

Was einen für das „Szenenwechsel“-Konzept einnimmt, ist der Gedanke der Langfristigkeit. „Viele Kooperationsvorhaben im internationalen Bereich scheitern“, stellt Andrea Zagorski vom ITI fest, „weil kaum Möglichkeiten bestehen, sich wirklich kennenzulernen, intensiv miteinander zu arbeiten.“ Die Förderung der Bosch Stiftung aber sieht eine ausführliche Anbahnungsphase für die Suche nach einem geeigneten Partner vor, die Option des Scheiterns ist inbegriffen. „Projektentwicklungen sind immer Risiken unterworfen, dem wird Rechnung getragen“, betont auch Jeannette Franke, die gemeinsam mit Andrea Zagorski für das ITI das Programm betreut. Der Förderzeitraum wurde deshalb – nach einem Expertengespräch mit Vertretern aus der freien Szene und von festen Häusern – von einem Jahr auf zwei Jahre erweitert.

Einzelne Künstler sind nicht antragsberechtigt. Es bestehe allerdings die Möglichkeit, so Pflüger, dass die deutschsprachige Seite beispielsweise einen Choreografen aus Estland zur Zusammenarbeit einlade oder einen Dramatiker aus Slowenien bitte, ein Stück zu schreiben. Noch befindet sich das Programm ja ohnehin in der Pilotphase, bisher hat Pflüger zwei Testprojekte realisiert – eine Kooperation der Berliner Spreeagenten mit serbischen Künstlern sowie ein ukrainisches Austauschprojekt des Zimmertheaters Tübingen.

Die wesentliche Frage bleibt natürlich, wer über die Mittelvergabe eigentlich entscheiden soll. Eine unabhängige Fachjury, so heißt es vonseiten der Bosch Stiftung und des ITI, die als Institutionen selbst nur Beraterfunktion haben wollen. Die Antragsfrist endet Mitte Februar 2013, die Juroren aber sind noch nicht gefunden. Das sollte schnell geschehen, denn an Nachfrage nach dem „Szenenwechsel“ dürfte kein Mangel herrschen. //

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