Theater in der Grauzone – oder – Das andere Theater
von Christine Boyde
Erschienen in: Recherchen 114: Fiebach – Theater. Wissen. Machen. (06/2014)
Man darf nicht versuchen, durch die Mauern zu kommen, denn hinter den Mauern sind andere Mauern, ist immer noch Gefängnis.
Man muss über die Dächer fliehen, zur Sonne. Zwischen Sonne
und Erde werden sie nie eine Mauer ziehen.
(Roberto Zucco)1
Das Studium der Theaterwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin beendete ich 1984. Nach dem Epochenbruch (O-Ton Käthe Reichel) begab ich mich in den Mikrokosmos der Gesellschaft; in den Knast, zu den Obdachlosen und zu den Menschen mit Handicap, an den Rand der Gesellschaft und zugleich dem sozialen Brennglas. Ich arbeitete mit dem Gefängnis-Theater aufBruch in Berlin-Tegel, im Frauenknast Berlin-Lichtenberg, mit Obdachlosen und mit dem Theater RambaZamba, Gruppe KALIBANI von Klaus Erforth. Zurückzuführen sind diese Theaterprojekte auf das „Theater der Unterdrückten“ von Augusto Boal, einem demokratischen Theaterversuch, der die Zuschauer nicht in den Theatersessel drückt wie in eine festgeschraubte Schulbank. Mein Interesse an dieser Theaterform wurde angeregt von Joachim Fiebachs Vorlesungen und Seminaren zu Augusto Boal.
aufBruch – Kunst Gefängnis Stadt, gegründet 1997, ist ein experimentelles Kunstprojekt, welches unter anderem Theater mit Strafgefangenen in der Justizvollzugsanstalt Berlin-Tegel macht, dem größten deutschen Männer-Gefängnis. Dieses Projekt eröffnet dem Publikum Einblicke in die geschlossene Anstalt, gleichsam die Mauern durchlässig machend. Die Gefängnisse...