Kalter Krieg in West-Berlin
von Bruno Flierl
Erschienen in: Selbstbehauptung – Leben in drei Gesellschaften (05/2015)
Bevor ich West-Berlin überhaupt erreichte, machte ich Bekanntschaft mit den Konsequenzen der Teilung Deutschlands durch die Besatzungsmächte. Mit einem französisch kontrollierten Zug gelangte ich von Nancy über Metz bis nach Kaiserslautern. Aus einem anschließenden amerikanisch kontrollierten Zug in Richtung Berlin wurde ich in Friedberg nördlich von Frankfurt am Main von der Weiterfahrt ausgeschlossen, da der für mich nicht erlaubt sei – ohne dass ich erfuhr, warum. Mit einem anderen, nicht vom Militär kontrollierten Zug erreichte ich Helmstedt-Marienborn, den Grenzübergang zwischen amerikanischer und sowjetischer Besatzungszone. Auf sowjetischer Seite wurde ich mit anderen Reisenden in einen feuchten und dunklen Kellerraum gesperrt und kontrolliert. Die anderen verloren dabei ihren Fisch, den sie auf dem Schwarzmarkt in Hamburg erworben hatten – mit dem Vorwurf: Schmuggelware. Ich verlor nur Zeit. Denn es dauerte Stunden, bis die Kontrolleure meine in deutscher, französischer und englischer Sprache verfassten Reisepapiere von Nancy nach Berlin-Schöneberg als gültig anerkannten. Offenbar war es ein Novum, dass jemand, noch dazu ein deutscher Zivilist, kurz nach dem Krieg von Frankreich nach Deutschland durch drei Besatzungszonen reiste: mit einem einzigen Reisedokument. Schließlich fuhr ich mit einem D-Zug nach Berlin weiter – mit einem historisch-ironischen Schmunzeln darüber, auf welche Weise ich Deutschland 1945 verlassen hatte und...