UKRAINE
Parallelwelten
von Marysja Nikitjuk
Erschienen in: Recherchen 61: Landvermessungen – Theaterlandschaften in Mittel- und Osteuropa (12/2008)
Assoziationen: Europa Dossier: Ukraine
Das gegenwärtige ukrainische Theater befindet sich wie die gesamte ukrainische Kultur in der Krise. Da 95 Prozent der Häuser staatliche Repertoiretheater sind, hängen sie unmittelbar von der staatlichen Politik ab. Der Staat wiederum ist permanent in Aufruhr, im Chaos verbrecherischer politischer Schlamperei ziehen die politischen Kräfte die staatliche Decke mal hierhin und mal dahin. Da sich alle auf diese Verteilungskämpfe konzentrieren, kümmert sich niemand um die Ausarbeitung einer nationalen Kulturpolitik. Das Ministerium für Kultur existiert nur formal, die Kommunen schenken der Kunst keinerlei Beachtung, die Theater werden weiter im alten sowjetischen Stil geführt, und keiner wagt Veränderungen. Die Theater erhalten weiterhin staatliche Zuschüsse, die Summen sind allerdings lächerlich. So betrug beispielsweise die finanzielle Unterstützung für die Kiewer Theater im Jahr 2007 50 Millionen ukrainische Hrywnia (ca. 6,4 Millionen Euro), im Haushalt für 2008 sind 80 Millionen Hrywnia (10 Millionen Euro) vorgesehen. Die Theater funktionieren wie kommunale Einrichtungen, sie haben eine Gewerkschaft, die Theaterdirektoren und Intendanten sitzen auf Lebensposten, Ensemblemitglieder lassen sich schwer austauschen, alte Schauspieler zu ersetzen ist praktisch unmöglich.
Am bedauerlichsten ist, dass keine privaten Ensembles entstehen können. Steuern und hohe Raummieten ersticken diese Idee bereits im Keim, und bei der gegenwärtigen Gesetzeslage ist die Finanzierung über Sponsoren nicht...