4. Fahrer und Beifahrer
von Wolfgang Engler
Erschienen in: Authentizität! – Von Exzentrikern, Dealern und Spielverderbern (03/2017)
Hervorbringen (Arbeiten), Handeln, Tätigsein – so bestimmte Aristoteles die Grundformen menschlicher Praxis, die sich per Abgrenzung zu den jeweils anderen definieren. Im Unterschied zum Hervorbringen, dessen Zweck außerhalb seiner selbst liege, sei Handeln wesentlich Endzweck. Von der Tätigkeit als schöpferischer Selbstbeziehung unterscheide sich das Handeln durch sein Gebundensein an (gleichrangige) Mithandelnde. Handeln als soziale Aktivität, in und für sich selber wertvoll – darauf wird zurückzukommen sein.26 Kontingenz, Entscheidung, Selektion, für das moderne Handlungsverständnis unverzichtbar, streift Aristoteles mit keinem Wort. Ihm gilt Handeln als höchster Ausweis ethischer Selbstvervollkommnung im Austausch mit seinesgleichen, das heißt mit freien, wohlhabenden, männlichen Vollbürgern. Diese wissen ohne nachzudenken, was sie sich und ihren ebenbürtigen Koakteuren schulden, genießen die Gemeinschaft, die sie miteinander stiften und die so lange währt wie der Genuss daran. Ein Schleier der Unschuld liegt über diesen Praktiken und verleiht ihnen den Charakter von lauter Selbstverständlichkeiten. Die Handlungen dieser edlen Freien sehen TATEN sofern ähnlicher als den gleichnamigen Aktivitäten gemäß unserer Deutung. Denn nun ist der Schleier gelüftet, die Handlung eine explizite Stellungnahme, die so oder anders hätte ausfallen oder unterbleiben können, ein Coming-out.
An dieser ausweglosen Freiheit, den Alten unbekannt, laboriert der neuzeitliche „Möglichkeitsmensch“. Das absehbare Resultat der Wahl verleidet...