Anfang der 1980er Jahre wurde ich als frisch gebackener Regieassistent am Theater Bielefeld erstmals mit dem Phänomen „Abstecher“ konfrontiert. „Der Barbier von Sevilla“ sollte im benachbarten Minden aufgeführt werden, eine Drehscheibeninszenierung. Der Bühnenmeister sagte mir, dass es dort keine Drehscheibe gebe und der Aufbau auch nicht auf fahrbare Wagen gestellt werden könne. Ich solle mir also überlegen, welche Position des Bühnenbildes ich für den ganzen Abend bevorzuge. Der Abend ging mehr schlecht als recht über die Bühne. Jahre später – ich war inzwischen Oberspielleiter am Landestheater Coburg – sollte meine Inszenierung von Verdis „Otello“ in die Stadthalle Bayreuth abstechen. Auch dort gab es keine Drehscheibe – aber ich brachte die Erfahrung aus Bielefeld mit und entschied mich für eine Grundposition. In der Stadthalle angekommen, fand ich zu meinem Entsetzen am rechten Portal einen gewaltigen Weihnachtsbaum. Ob der dort bleibe, fragte ich irritiert. In tiefstem Fränkisch wurde mir versichert, dass der Weihnachtsbaum im Dezember dort immer stehe. Mein vorwitziger Assistent meinte, man könne ja zum „Ave Maria“ von Desdemona die elektrischen Kerzen anknipsen. Dank Verdi und eines engagierten Ensembles vergaß man den unliebsamen Fremdkörper rasch, und das Gastspiel feierte doch noch einen leidlichen Erfolg.
Zahlreiche solcher Episoden fallen einem ein, wenn...