2. In Funktion: Stolz, Scham und ein Deal
von Wolfgang Engler
Erschienen in: Authentizität! – Von Exzentrikern, Dealern und Spielverderbern (03/2017)
Die Sekretärin und der Konditor teilen dieselben Zeitumstände, dennoch liegen Welten zwischen ihnen. Das unterschiedliche Alter erklärt den Abstand nur zum kleineren Teil. Es den Älteren einfach nachzutun, widerstrebt den Jüngeren, die Neuerungen aufgeschlossener gegenüberstehen. Die 1920er Jahre verliehen dem Jugendkult einen ersten, kräftigen Schub, und es mag sein, dass die Büroangestellte an diesem Aufbruch teilnahm. Auch war sie wohl geübter im Umgang mit dem Medium, verhielt sich weniger respektvoll, spielerischer zu Fotograf und Objektiv. Den hauptsächlichen Teil der Erklärung liefert die Verortung beider im sozialen Raum; hier die Angestellte, dort der Gewerbetreibende, Modernität vs. Tradition.
Im Fall des Konditors greifen Selbst und Funktion bruchlos ineinander. Die Funktion ruft nach der ganzen Person, diese findet in jener ihre Erfüllung. Das Individuum in Funktion erlebt sich präsenter, wirklicher als das funktionsbefreite. Der Funktionsstolz möbelt den personalen unverkennbar auf. Man kann in diesem Kontext und mit Bezug auf das Leitthema dieser Untersuchung von funktionsbetonter Authentizität sprechen und eine Linie ziehen, die ins heute führt.
Das Zeitbedingte am Selbst-Funktions-Verhältnis des Konditors tritt hervor, sobald wir uns den Typus, für den er einsteht, out of office denken, daheim, bei Frau und Kindern. Weiß er sich auch in dieser Sphäre eins mit sich? Zufrieden, das...