Vielfalt des Schauspielens: Masken-, Körper- und Volkstheater
von Bernd Stegemann
Erschienen in: Lektionen 3: Schauspielen Theorie (12/2010)
Assoziationen: Schauspiel
I.
Die Beurteilung der schauspielerischen Leistung stellt Zuschauer, Kritiker und Theatermacher inzwischen vor ein fast unlösbares Problem. Wenn wir einen Menschen beobachten, so nehmen wir auf sehr unterschiedlichen Ebenen wahr. Wir reagieren im Alltag etwa auf der menschlich-empathischen Ebene und empfinden entweder Sympathie oder Antipathie, Angst oder Fürsorglichkeit u.v.m. Nehmen wir einen Menschen in einem theatralischen Zusammenhang wahr, verschiebt sich unsere Aufmerksamkeit von der privaten Person auf sein öffentliches Tun, auf die Bewegungen, Handlungen, Gefühle, Spiele und Aussagen, die er vor uns und für uns vollzieht. Ein Voyeur ist kein Theaterzuschauer, so wie der durch ihn Beobachtete kein Schauspieler ist. Nur wenn sich beide Seiten der Differenz bewusst sind, dass die eine Seite zuschaut und die andere für diese etwas „spielt“, handelt es sich um Schauspiel. Unter diesem „Spiel“ werden im Wandel der Zeiten immer wieder neue und andere Erscheinungsformen des Menschen verstanden. So wie sich das Bild des Menschen und seine Selbstdarstellungsmittel ständig verändern, verändern sich die spielerischen Mittel, mit denen Menschen auf einer Bühne vor anderen Menschen Theater spielen. Mit der Renaissance treten diejenigen Darstellungsmittel in den Vordergrund, die die Fähigkeiten und Proportionen des Menschen zum Maßstab einer gelungenen Darstellung nehmen. Ihren Höhepunkt findet diese Entwicklung in der...