Theater der Zeit

Magazin

kirschs kontexte: Und Susiskanes war auch dabei

Überlegungen zum aischyleischen Charakter des Ruhrgebiets

von Sebastian Kirsch

Erschienen in: Theater der Zeit: Die Bibliothek des Körpers – Der Tänzer-Choreograf Ismael Ivo (03/2015)

Immer wenn ich durch die Industrielandschaft des Ruhrgebiets fahre, diese riesige Produktionsmaschine, die nicht mehr produziert, kommt mir der älteste erhaltene Tragödientext in den Sinn, Aischylos’ „Perser“. Das liegt sicher nicht an irgendeinem „hellenischen“ Charakter der 53 „Poleis“ zwischen Emscher und Ruhr, sondern eher am wüsten Äußeren der Gegend, ein ewiges Mal der Weltkriege des Industriezeitalters. Auch die „Perser“ sprechen ja von einem Krieg, den man ohne Übertreibung einen Weltkrieg der Antike nennen kann. Und die Stelle, die mir im Ruhrgebiet jedes Mal im inneren Ohr tönt (nach wie vor mit der Stimme Margit Bendokats aus Dimiter Gotscheffs „Perser“-Inszenierung), ist der berühmte Prolog der Tragödie: Jener lange Gesang, mit dem der Perserchor die größte Kriegsmaschine der damaligen Welt beschwört, die unermesslichen persischen Kriegerheere, die sich auf den Feldzug gegen die Griechen begeben haben (und zu diesem Zeitpunkt schon allesamt tot sind): „Andere auch hat der große und vielnährende / Nil geschickt: Susiskanes / Pegastagon, Ägypten entstammend (…) Und die goldreiche Sardes, fahrend / Auf vielen Wagen (…) Und die sumpfbewohnenden Ruderer der Schiffe / Gewaltig und an Menge unzählbar.“

Sehr vieles fasziniert an diesem Text, aber dass er für mich genauso im Ruhrgebiet wie am persischen Königshof spielt, liegt an...

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