Blendender Auftritt
Zur Eingangsszene in Plautus’ Miles Gloriosus
von Antje Wessels
Erschienen in: Recherchen 115: Auftreten – Wege auf die Bühne (11/2014)
Einen Großteil seiner Komödien lässt der römische Komödiendichter Plautus (254–184 vor Christus) mit einem Prolog beginnen, in dem der Prologsprecher auf die Umstände der Produktion hinweist und die Zuschauer langsam in die fiktive Bühnenwelt hineinführt. Die Verwandlung der Schauspieler in ihre Rollen, die Umdeutung der Bühnenkonstruktion in den fiktiven Ort der Handlung und die Trennung zwischen Publikum und Bühnenraum werden explizit thematisiert, um einen Rahmen herzustellen, durch den die Aufführung als Aufführung erkennbar wird. Plautus reagiert damit auf die besondere Situation der zeitgenössischen Aufführungspraxis: den politisch-religiösen Kontext, aus dem der Bühnenraum ‚herauszuschneiden‘ ist, und die Temporalität der Bühne, die als solche erst einmal definiert werden muss, bevor sie einen fiktiven Raum repräsentieren kann.191
Neben dieser Praxis des Beginnens findet sich in Plautus’ Komödien auch, als ein konträres Verfahren, das unvermittelte Erscheinen von Bühnenfiguren: Das Spiel beginnt, ohne dass der Bühnenraum durch einen Prolog zuvor als Bühnenraum markiert wird, mit dem Auftritt einer tragenden Figur – so etwa im Epidicus oder in der Mostellaria.192 Im Folgenden soll es nun um einen dritten Fall gehen, eine Komödie, bei der die Inszenierung des Anfangs eine Verunsicherung darüber herstellt, wann das Stück überhaupt beginnt: den Miles Gloriosus.193
Der Miles...