8 Fazit: Rückschlüsse für die Schauspielausbildung
von Julia Kiesler
Erschienen in: Recherchen 149: Der performative Umgang mit dem Text – Ansätze sprechkünstlerischer Probenarbeit im zeitgenössischen Theater (09/2019)
Der Umgang mit Emergenz sowie mit Ambivalenzen von Tun und Nicht-Tun, von Kreieren und Dekonstruieren ebenso wie Fähigkeiten zur Entfaltung einer transformatorischen Kraft gehören zu den Kernkompetenzen performativer Praktiken des Spielens und Sprechens. Sie beinhalten die Bereitschaft von Schauspieler/-innen oder Performer/-innen, sich einem unvorhersehbaren Ereignis auszusetzen, sich führen und bestimmen zu lassen, sich zur Verfügung zu stellen sowie das Bewusstsein für ein relationales Raumverständnis bzw. generell für verschiedene Raum- und Situationskonzepte im Theater zu entwickeln. Die Kategorie der Offenheit, sei es die Offenheit in der Wahrnehmung, so auch im Zu- und Mithören, die Offenheit künstlerischer Entscheidungen, die Offenheit in der Arbeitshaltung oder in der künstlerischen Methodenvielfalt, bildet die Voraussetzung, damit sich Emergenz ereignen sowie das transformatorische Potential einer performativen Darstellungsweise entfalten kann. Weiterhin stellt die Stärkung der künstlerischen Persönlichkeit des Schauspielers bzw. der Schauspielerin eine Bedingung für performative Spielpraktiken dar. Sie beinhaltet die Reflexionsfähigkeit und Selbständigkeit im Umgang mit dem körperlichen und sprachlichen bzw. sprecherisch-stimmlichen Material der Schauspieler/-innen sowie mit Arbeitsweisen und Darstellungsformen ebenso wie die Autorschaft der Schauspieler/-innen, die u. a. durch das Kennenlernen verschiedener Methoden der Text- und Materialgewinnung geschult werden kann.
Weiterhin gehört zu einer Ausbildung performativer Praktiken des Spielens und Sprechens ein handwerkliches Bewusstsein für den...