Welches GESTERN werden wir MORGEN sehn?
Erschienen in: Recherchen 114: Fiebach – Theater. Wissen. Machen. (06/2014)
DRAMA
Die Toten warten auf der Gegenschräge
Manchmal halten sie eine Hand ins Licht
Als lebten sie. Bis sie sich ganz zurückziehn
In ihr gewohntes Dunkel das uns blendet.
Heiner Müller, November 19951
Lieber Joachim Fiebach,
ohne Adressat fällt mir das Schreiben schwer und ohne Grund ist es Selbstzweck (eine beliebte Praxis ohne jeden Zweifel). Daher richte ich diesen Versuch sortierten Gedankenguts in Form eines Briefes an Sie, als eine Art von Ehrung. Sollten die Gäule mit mir durchgehen, bitte ich Sie, dies meiner Leidenschaft fürs Theater gutzuschreiben.
Der Leidenschaft für Zement in der Inszenierung von Dimiter Gotscheff zum Beispiel – ein Paukenschlag vor Gotscheffs überstürztem Sterben – am Residenztheater im gutbürgerlichen München 2013, vierzig Jahre nach der Uraufführung 1973 in der Regie von Ruth Berghaus am Berliner Ensemble. Das zu spät geschriebene Stück, wie Heiner Müller es nannte, ein aus der Zeit gefallenes Lehrstück, Abgesang auf eine zementierte Utopie, ist im elliptischen Fall in unserer permanent gehaltenen Gegenwart aufgeschlagen. Aufgeschlagen in einer Zeit der Verhärtung der Menschen und des gesellschaftlichen Gefüges. Aufgeschlagen in einer Zeit der Erstarrung und obsolet geltender Visionen/Utopien. Aufgeschlagen in einer Zeit des Triumphes ökonomischer Entfesselung, des Machtmanagements und Kalküls, über Freiheitskampf und Mit-Menschlichkeit....