Theater der Zeit

3.2 Das Wechselspiel von Repräsentation und Präsenz in performance

von Clemens Risi

Erschienen in: Recherchen 133: Oper in performance – Analysen zur Aufführungsdimension von Operninszenierungen (08/2017)

Abbildung 15: Nabucco. Inszenierung: Hans Neuenfels. Susan Neves (Abigaille), Chor. Deutsche Oper Berlin 2000. Foto: Detlef Kurth
Abbildung 15: Nabucco. Inszenierung: Hans Neuenfels. Susan Neves (Abigaille), Chor. Deutsche Oper Berlin 2000. Foto: Detlef Kurth

In Kapitel 2.2 wurde mit Verweis auf die Performances von Maria Bengtsson in Bieitos Entführung und David Moss in der Fledermaus auf eines der zentralen Merkmale bzw. einen der Attraktionsmomente von Oper in performance aufmerksam gemacht: das Wechselspiel von Repräsentation und Präsenz. Im Folgenden sollen weitere exemplarische Momente diskutiert werden, in denen dieses Wechselspiel von Repräsentation und Präsenz die Wahrnehmung der Zuhörenden und Zuschauenden herausfordert. Was es im Einzelnen bewirkt oder bewirken kann, kann sehr unterschiedlich sein. Die plötzliche Hervorkehrung oder Fokussierung einer präsentischen Intensität kann die Wirkung der Repräsentationsfunktion sowohl verstärken, also eine mögliche Bedeutung des Materials produzieren, als auch die Repräsentationsfunktion unterbrechen, konterkarieren, verfremden oder auch einfach nur auf eine der wichtigsten Ingredienzen einer Live-Aufführung – auf den immer riskanten Einsatz, auf die Verausgabung einzelner Materialitäten wie Körper und Stimmen – aufmerksam machen. Schließlich können in diesem Wechselspiel auch ganz neue Dimensionen des Aufführungsgeschehens in den Vordergrund gebracht werden, etwa die ideologisch belastete Aufführungsgeschichte einer bekannten Oper, wie dies am Beispiel von Wagners Meistersinger von Nürnberg am Schluss des Kapitels diskutiert wird.

Hans Neuenfels’ berühmt-berüchtigte Frankfurter Inszenierung von Verdis Aida aus dem Jahr 1981 kann als ein Gründungsakt des Regietheaters in der Oper bezeichnet werden. Schon ein paar...

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