Theater der Zeit

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Vorwort

von Claudia Roth

Erschienen in: ixypsilonzett: Wie macht Ihr das?! – Zahlen und Daten zur wirtschaftlichen und sozialen Lage der Freien Kinder- und Jugendtheater in Deutschland (10/2023)

Claudia Roth
Foto: J. Konrad Schmidt

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Liebe Theaterakteur*innen, liebe Leser*innen,

in welchen Regionen der Bundesrepublik präsentieren die Freien Kinder- und Jugendtheater ihre Stücke? Welche Orte machen sie zu ihren Bühnen? Welche Genres und Formensprache wählen sie? Mit wie vielen Aufführungen begeistern sie jedes Jahr erneut ihr Publikum? Aber vor allem: Wie ermöglichen sie die erschwinglichen Ticketpreise? Bisher gab es auf solche Fragen keine Antworten. Denn obwohl das Kinder- und Jugendtheater in Deutschland – speziell die Freien Darstellenden Künste für junges Publikum – ein unverzichtbarer Bestandteil der Kulturlandschaft der Bundesrepublik und eine tragende Säule für die kulturelle Vielfalt und Entwicklung in unserer Gesellschaft ist, war die Datenlage zu dieser Sparte bislang sehr dünn. Die fehlenden Zahlen erschwerten zunächst die Entwicklung des Programms NEUSTART KULTUR – Junges Publikum, das viele freie Kinder- und Jugendtheater in der Coronazeit dabei unterstützte, ihre Arbeit aufrecht zu erhalten und weiterzuentwickeln. Das Förderprogramm hat mit 21 Millionen Euro mehr als 250 Theatern geholfen, diese Krise zu überstehen. Erstmalig unterstützte der Bund mit diesem Programm Theater für junges Publikum nicht nur als Instrument der kulturellen Vermittlung, sondern unter dem Aspekt der Kunstförderung.

Kinder und Jugendliche haben in einer demokratischen Gesellschaft Anspruch darauf, am kulturellen Leben teilzuhaben. Dazu bedarf es in der gesamten Bundesrepublik eines breiten, niedrigschwelligen und inklusiven kulturellen Angebots für Kinder und Jugendliche aus allen sozialen Schichten. Bisher gab es keine Statistiken zu den Freien Darstellenden Künsten für junges Publikum, deren Arbeit meist jenseits großer, repräsentativer Kultureinrichtungen stattfindet. Die Auswertungsstudie der ASSITEJ gibt erstmals einen wichtigen Einblick in deren Struktur und die Arbeitsrealitäten. Sie verdeutlicht den massiven Anteil dieser Theater an einem flächendeckenden und preislich erschwinglichen kulturellen Angebot für Kinder und Jugendliche. Das Engagement der Freien Szene ist ein Grundbaustein eines Kulturangebots, das zugänglich und nahbar ist, zum Beispiel als mobiles Gastspiel, das zu seinem Publikum in die Schulen und Kitas kommt und mit partizipativen Projekten Räume für eigene künstlerische Erfahrungen öffnet.

Wohl nirgendwo sonst ist das Theaterpublikum so divers wie im Bereich der Kinder- und Jugendtheater, und das liegt nicht zuletzt an solchen Angeboten, die über Kitas und Schule Kinder unterschiedlicher Herkunft erreichen. Daran zeigt sich, dass diese verhältnismäßig kleine, aber agile Sparte für den gesamten Bereich der darstellenden Künste von Bedeutung ist. Auf der anderen Seite offenbart die Studie aber auch, wer den Preis für ein finanziell niedrigschwelliges Kinder- und Jugendtheaterangebot zahlt. Ein abwechslungsreicher Spielplan und maßgeschneiderte pädagogische Angebote werden noch viel zu oft zu Lasten der Künstler*innen realisiert – mit Honoraren, die unter der notwendigen Mindestgrenze liegen, oder über Querfinanzierungen aus anderen Erwerbstätigkeiten. Daher müssen wir uns fragen, welche sozialen Rahmenbedingungen nötig sind, um das jeweils individuelle künstlerische Schaffen, aber mittelbar damit auch gesamtgesellschaftlich ein freiheitliches Kulturleben bestmöglich zu unterstützen. Diese Rahmenbedingungen zu verbessern, haben sich die Regierungsparteien im Koalitionsvertrag zur Aufgabe gemacht. Sie haben sich unter anderem zum Ziel gesetzt, die statistische Berichterstattung zu verbessern, Mindesthonorierungen freischaffender Künstler*innen und Kreativer in die Förderbestimmungen des Bundes aufzunehmen, sowie soloselbstständige und hybrid beschäftigte Kreative besser abzusichern. Im ersten Jahr der Legislaturperiode hat das federführende Bundesministerium für Arbeit und Soziales bereits wichtige Regelungen zur strukturellen Verbesserung der sozialen Lage für Selbstständige und überwiegend kurz befristet Beschäftigte auf den Weg gebracht. Als Bundesregierung arbeiten wir daran, weitere Verbesserungen der Rahmenbedingungen herbeizuführen, um es Künstler*innen zu ermöglichen, aus kreativem Schaffen zuverlässiger eine nachhaltige Lebensgrundlage zu erwirtschaften.

Ich hoffe, dass die Erkenntnisse der Studie dazu beitragen, dass das Theater für junges Publikum mehr Aufmerksamkeit, mehr Anerkennung und auch mehr Unterstützung erfährt.

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