Speculative Thinking: Wissen für die Zukunft
von Andreas Wehrl
Erschienen in: Learning for the Future – Zukunftskonferenz für die Darstellenden Künste (04/2024)
Das Wissen der Gegenwart
2040 ist mein Sohn volljährig. Mit dieser Feststellung markiere ich die Überforderung, die mit so einem Zukunftsdatum einhergeht – ich kann darüber fast gar nichts wissen.
Der Satz löst zwei weitere Irritationen bei mir aus. Wir sprechen heute, wenn wir über Zukunft sprechen, viel über Krisen und wir wissen darüber sehr viel, gerade was uns die Physik lehrt. Wir wissen etwa genug über den Klimawandel, um schnellstens etwas gegen ihn zu unternehmen. Doch Wissen führt trotz aller Evidenz der Krisen nicht notwendigerweise zum Handeln. Diese frustrierende Tatsache ist ein Baustein in dem Dreieck aus Wissen, Theater und Zukunft, über das ich sprechen möchte. Ich halte sie in einem einfachen Satz fest: Die Welt steckt in einem bösen Traum.
Die zweite Irritation ist eine Art Schuldempfinden, das sich meldet, wenn ich der Einladung folge, mich auf diese Reise in die Zukunft zu begeben. Denn wir leben in einer Zeit, in der wieder Städte vernichtet und Menschen im Krieg umgebracht werden. Ist es da nicht eine Flucht vor der Wirklichkeit, mich mit Zukunftsproblemen auseinanderzusetzen? Natürlich müssen wir beides zugleich leisten, aber der Schuldreflex ist ein Hinweis, der mich an etwas erinnert, das ich wiederum in einem einfachen Satz...