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Kunst
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Erschienen in: Theater der Zeit: Feuer und Eis – Theater im ostsibirischen Jakutsk (01/2015)
Manche Gegensätze sind nicht aus der Welt zu kriegen. Zum Beispiel der zwischen dem zweckdienlichen Bauen und einer zweckfreien, modernen Kunst. Adolf Loos hat das vor 100 Jahren schon auf den Punkt gebracht. Kunst sei niemandem verantwortlich, ein Haus wohl aber schon. Es hat allem zu dienen, besonders unserer Bequemlichkeit. Weil der Mensch seiner Ansicht nach alles lieben würde, was einem bequemen Leben nützt, hasst er alles, was ihn da herausreißen will. Genau das allerdings macht die Kunst, sie will infrage stellen und Neues versuchen. Folglich hätte sie es schwer, Freunde zu finden. Da überlegt man sich, ob wir da heute schon einen Schritt weitergekommen sind.
Die Arbeiten der Berliner Künstlerin Andrea Pichl erzählen von dieser zwiespältigen Beziehung von trister Wohnfunktion und einer zumeist unverhofften und auf den ersten Blick verborgenen ästhetischen Qualität. Sie durchstreift seit Jahren auf ihren Reisen und Studienaufenthalten die überall auf der Welt unbeliebten Neubaugebiete und Wohnanlagen, sammelt architektonische Details und fotografiert die Fassadenansichten. Mittlerweile verfügt sie über ein riesiges Archiv an Hochhauskomplexen und industriellen Wohnungsbauten und beginnt das in einer Reihe von Kunstwerken und Ausstellungen auszuwerten.
Das Kunstmuseum Moritzburg hat die aus Sachsen-Anhalt stammende Künstlerin letztes Jahr gebeten, anlässlich des 50. Geburtstages von Halle-Neustadt einen...