Zwei Dörfer an einem Bach. Eines rechts, eines links am Ufer gelegen. Ein jedes hat einen Dorfplatz, eine Kirche, eine Wirtschaft, „den ,Roten Ochsen‘ hier und dort die ,Schwarze Traube‘“. Die Dörfer liegen so eng „wie Zwillinge im Bauch der Mutter“. Einzig die Uhrzeit will sich in das Miteinander nicht fügen. Auf der einen Seite des Baches schlägt die Glocke des Kirchturms früher. Erst mit Verzögerung folgt die andere Seite nach.
Der Dramatiker Roland Schimmelpfennig liebt Metaphern und Allegorien. Oft sind es Tiere, die als Stellvertreter einer irrationalen, ursprünglichen, brutalen, aber auch mystischen Natur die modernen Settings in seinen Stücken durchstreifen. In seinem Romandebüt „An einem klaren, eiskalten Januarmorgen zu Beginn des 21. Jahrhunderts“ ist es ein Wolf, der kurz nach Sonnenaufgang den vereisten Grenzfluss zwischen Polen und Deutschland überquert.
In seinem jüngsten Theaterstück „Das große Feuer“, uraufgeführt am Nationaltheater Mannheim, ist Schimmelpfennig nun vollends auf dem Dorf gelandet. Die Geschichte beginnt im Mai, in einer längst vergangenen Zeit. Die Bewohner der beiden Dörfer, darunter ein Viehwirt und ein Winzer, ein dicker und ein dünner Pfarrer sowie ein Lehrer mit Hang zur Dichtung, sind umgeben von Feldmäusen, Grillen, Schwalben, Schmetterlingen, Schnecken, Käfern, Füchsen, Hasen, Mücken, Spatzen und Krähen. Eine bukolische...