III
von Barrie Kosky
Erschienen in: On Ecstasy (02/2021)
So gilt es auch zu verstehen, dass es sich, wenn wir das Wort Leben aussprechen, dabei nicht um das durch die Äußerlichkeit der Tatsachen bestimmte Leben handelt, sondern um jene Art zarten, lebhaften Feuers, an das keine Form rührt.
Antonin Artaud
So richtig erkundet habe ich die Idee eines ekstatischen Theaters zum ersten Mal in meiner Produktion von Der Dybbuk. Anfänglich wurde ich von Salomon Anskis Text aufgrund seiner starken und geradezu hypnotisierenden Kombination aus religiösem Ritual, Horror und einer verdammt guten klassischen Liebesgeschichte angezogen. Aber als ich die Produktion in der Eiseskälte einer verlassenen Lagerhalle in der Innenstadt von Melbourne probte, begann da noch etwas anderes zutage zu treten und mich zu fesseln.
Vielleicht waren es all die Proben spät am Abend, bei denen der Raum nur von einer kleinen Lampe erleuchtet wurde und unsere Schatten bei der Arbeit über die Wände huschten. Vielleicht waren es aber auch die jiddischen und hebräischen Lieder, die durch die Dunkelheit schwebten. Oder war es vielleicht zu viel Hühnerschnitzel vom Café Sheherazade, das ich als tägliche Grundnahrung verzehrte?
Der Schauspieler tauchte aus der Dunkelheit als verkrüppelter und abgemagerter Jeschiwa-Student auf. Er wurde von einem kleinen Gebetbuch auf seinem Rücken niedergedrückt. An...