7.1 Zum Begriff der Kunstfigur
von Viktoria Volkova
Das Ziel des Probenprozesses im Regietheater besteht für jeden einzelnen Schauspieler in der Verkörperung seiner Rolle. Allerdings wäre es genauer zu sagen, dass der Probenprozess sowohl individuelle Ziele der Darstellenden kennt (das Erschaffen von einer Biographie der Figur, das Aufspüren ihrer individuellen Gesten und Handlungen, ihrer Emotionalität, das Erfinden der Verfahren für die Hervorbringung der Handlungen auf der Bühne etc.) als auch allgemeine, kollektive szenisch-darstellerische Aufgaben in ihren vielfältigen Ausprägungen zu lösen hat (wie etwa die Herstellung der interpersonalen Beziehungen zwischen den Figuren, die Erfindung ihrer Handlungen und Bewegungen im Raum, ihr gemeinsames Befinden und körperliches Dasein auf der Bühne usw.). Aber sowohl die individuellen als auch allgemeinen Ziele der Darstellenden drehen sich um die künstlerische Erschaffung der Figuren. Und an dieser Stelle lässt sich klären, was eine Kunstfigur im modernen Regietheater ist.
Vor allem muss man hervorheben, dass es mehrere Begriffe gibt, die ein und dieselbe Erscheinung bezeichnen: Figur, Kunstfigur, Rolle, Rollenfigur, Gestalt, Bühnengestalt, dramatis persona, Charakter, ja sogar Stand – alle diese Begriffe drücken das aus, was von den Schauspielern auf der Bühne aufgrund ihrer beruflichen Fähigkeiten geschaffen wird, nämlich das Sich-Hineinversetzen in eine andere Person, das Zur-Schau-Stellen der imaginären Charakterzüge bzw. jedes möglichen vorstellbaren Handelns...